Wenn es ein Thema gibt, dessen Bedeutungsgehalt von keinem andern in diesem Kosmos überboten werden kann, dann ist es die leibliche Auferstehung Jesu. Auch wenn der Tod noch immer Realität ist, Jesus hat den Tod besiegt und hat mit seiner Auferstehung gezeigt, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Seit 2000 Jahren ist der Glaube an die Auferstehung das prägendste Element der Christen, das im Grunde alle verschiedenen Denominationen und christlichen Kulturen miteinander verbindet.
Dies ist eines der letzten Kapitel, die ich für dieses Skript schreibe. Ursprünglich wollte ich nichts zu diesem Thema schreiben, weil eben schon so viel geschrieben worden ist. Dann habe ich aber doch angefangen, mich mit diesem Thema wissenschaftlich zu beschäftigen und es ließ mich nicht mehr los. Je tiefer ich eingestiegen bin, desto mehr nahm mich dieses Thema gefangen. Mir fiel auch auf, dass ich die Auferstehungstexte nur grob kannte. Ich begann immer mehr zu staunen, wie viele Details in den verschiedenen Evangelien über die Auferstehung und deren historische Umstände beschrieben sind. Ich möchte also versuchen, aus wissenschaftlicher Sicht die Bibeltexte zu beurteilen und sie zu messen an den bibelkritischen Vorstellungen der liberalen Theologie. Wie an allen anderen Stellen der Bibel ist auch das Verständnis der Auferstehung durch die historisch kritische Methode ins Wanken geraten.
In der historisch-kritischen Theologie gibt es im Blick auf die Auferstehung 2 Lager.
1.) Das eine Lager vertritt die Meinung, dass es sich bei der Auferstehung nicht um ein historisches Ereignis handelte. Das Grab sei nicht leer gewesen, sodass man nicht von einer leiblichen Auferstehung sprechen könne. Die Auferstehung habe sich auf einer inneren geistlichen Ebene vollzogen, wobei nicht die Tatsächlichkeit der Auferstehung das eigentliche Wunder war, sondern der Glaube an die Auferstehung, der zu der Verwandlung bei den Jüngern geführt habe. Gott habe nicht am Leib Jesu gehandelt, sondern am Glauben der Jünger. Bekannte moderne Vertreter dieser Haltung sind Prof. Breuer und Prof. Schreiber von Worthaus und Prof. A. Lindemann, die schon mehrfach zitiert wurden. Prof. Schreiber sagt z.B.: „Diese Menschen, und zwar nicht nur einer, sondern viele, waren der Meinung oder waren davon überzeugt, Ihnen ist Jesus von Nazareth erschienen. Sie haben gesehen, dass er lebt. Sie haben erfahren, dass er lebt. Deswegen muss er noch lange nicht auf der Erde rumspaziert sein wie ein Gespenst oder so etwas. Das wäre dann eher wieder die alberne Variante. Also wenn ich jetzt meine Oma hier sehen würde, dann würde ich zum Arzt gehen, verstehen Sie? Da würde ich irgendwie denken, jetzt sollte ich mal wieder richtig schlafen oder so etwas. Darum geht´s bei der Auferweckung Jesu nicht. Die waren nicht einfach alle überreizt oder so etwas.“ Markus Till zitiert in seinem Artikel: Worthaus, Universitätstheologie für Evangelikale Prof. Breuer, der lehre: „Jesu Grab war voll! Ich bin davon überzeugt: Wenn man damals eine Videokamera am Grab Jesu installiert hätte, wäre nichts zu sehen gewesen. Nichts!“ Auch bei den Erscheinungen des Auferstandenen hätte eine Videokamera nichts gefilmt. Nur sehr „konservative Christen“ legten Wert auf das leere Grab. Aber eigentlich sei es genau wie die Jungfrauengeburt für den Glauben nicht von Bedeutung. Zwar sei der Tod Jesu ein historisches Ereignis, aber Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten auf keinen Fall. Die Tagesangaben zwischen diesen Ereignissen hätten nur metaphorische Bedeutung. Die Auferstehung war nur eine Erkenntnis der Jünger, dass Jesus im Geist unter Ihnen ist. Auch Paulus` Begegnung mit dem auferstandenen Jesus sei eine legendarische Ausschmückung von Lukas.“ (In Dr. Thomas Breuer: Worauf gründet sich der Glaube an die Auferweckung Jesu von den Toten?)
Das andere Lager erkennt die Historizität der leiblichen Auferstehung an, lehnt es aber in der Regel ab, sich vom ersten Lager klar abzugrenzen. Meist wird hier beschwichtigend argumentiert, es komme nicht darauf an, ob ich an eine leibliche Auferstehung glaube. Bekannte Vertreter hierzu sind Prof. Zimmer und Prof. Dietz von Worthaus, die zwar ausdrücklich sagen, dass sie persönlich an die körperliche Dimension der Auferstehung glauben, aber keinen Wert darauflegen, ob man sie so oder so versteht. Hauptsache man glaube irgendwie an die Auferstehung, was ja auch alle Theologen irgendwie tun. Prof. Dietz, auch Hochschullehrer in Tabor/ Marburg sagt zum Beispiel,“ da sei kein Platzhalter, es gebe keine Stelle, an der man unterschreiben müsse, dass man an eine leibliche Auferstehung glaube“. Beide Lager würden einander auch nicht widersprechen. Entscheidend ist also auch für dieses Lager nicht der Glaube an eine leibliche Auferstehung, sondern der kleinste gemeinsame Nenner, nämlich der Glaube an eine wie auch immer geartete Auferstehung.
Frage 1: Wie ist Jesus den Jüngerinnen und Jüngern nach der Auferstehung begegnet? Könnte es sich tatsächlich nur um eine innere Erscheinung gehandelt haben? Was sagt die Bibel dazu?
Könnte es sein, dass Jesus den Jüngern nur als innerer Film erschienen ist so wie heute manchmal Menschen berichten, dass ihnen Jesus im Geist oder im Traum, erschienen ist? Wir reden gelegentlich davon, dass Jesus zu jemand gesprochen hat im Sinne einer inneren Stimme, die man vernommen hat. Vielleicht waren die ersten Begegnungen nichts anderes als derartige innere Erscheinungen. Sie hätten sich demnach nur im Inneren der Jüngerinnen und Jünger abgespielt und wären äußerlich nicht fassbar gewesen. Das ist das Verständnis vieler liberaler Theologen von den ersten Begegnungen Jesu nach der Auferstehung. Zunächst erscheint uns vielleicht eine derartige Deutung der Auferstehung als relativ plausibel, weil sie sich mit unseren eigenen Erfahrungen deckt, sodass man geneigt ist zu sagen: Damit könnte ich auch leben. Und vielleicht komme es ja wirklich nicht darauf an, ob die Auferstehung nun als leibliche Auferstehung oder nur in einem geistigen Sinn zu verstehen ist? Bei genauerer Betrachtung und Analyse der biblischen Texte fällt jedoch auf, dass dieses Verständnis weit hinter den Erzählungen zurückbleibt und sich keineswegs mit den Augenzeugenberichten zur Deckung bringen lässt. Ich möchte nun nicht die theologische Tragweite einer derartigen Einstellung bewerten, vielmehr geht es mir zunächst darum zu zeigen, dass die Augenzeugenberichte uns in keiner Weise die Freiheit lassen, die Auferstehung als rein inneres Erleben aufzufassen.
Lk.24,36ff: „Als sie aber davon redeten, trat er selbst mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin’s selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm’s und aß vor ihnen.
Jesus wird von den Jüngern zunächst also tatsächlich wie ein Geist wahrgenommen. Sie trauten ihren eigenen Augen und Ohren nicht, was uns vermutlich genauso gehen würde. Aber Lukas bleibt bei dieser Wahrnehmung und ihrer möglichen Deutung nicht einfach stehen, sondern er beschreibt nun einzelne Indizien für die tatsächliche Körperlichkeit Jesu. Jesus ist anfassbar, er hat Fleisch und Knochen und er isst sogar vor den Jüngern. Der Auferstandene wird von den Jüngern nicht als ausschließliche Geisterscheinung erfahren, sondern als konkret, anfassbar und körperlich real. Fasst man die Auferstehung nur als innere Glaubenserfahrung auf, dann widerspricht der vorliegende Text gerade dieser Vorstellung. Der Text erlaubt uns, weder die Auferstehung nur als innere Erkenntnis aufzufassen noch die Begegnung mit dem Auferstandenen auf eine Art visionäre innere Erscheinung zu reduzieren. Auch alle anderen Texte über die Zeit nach der Auferstehung tragen dieselben Merkmale eines realen Erlebens und einer physischen Begegnung mit dem leibhaftig Auferstandenen. Man denke nur an die Situation mit dem zweifelnden Thomas, der seine Hände in die Seite von Jesus legen darf zum Beweis für die Realität des lebenden Gekreuzigten oder an den Fischfang am See Tiberias, wo Petrus im Anklang an seine Verleugnung nun dreimal gefragt wird, ob er Jesus liebhabe. Alle Texte, die die Begegnungen des Auferstandenen mit seinen Jüngern beschreiben, lassen keine Anzeichen dafür erkennen, dass sie nur auf inneren Erlebnissen beruhen. Es wäre seltsam, wenn mehrere Menschen gleichzeitig die identische innere Erscheinung hätten und es dürfte wohl auch für einen liberalen Theologen kaum akzeptabel sein, weil es genauso ein übernatürliches Wunder und genauso wenig eine Entsprechung zu unserer gewöhnlichen menschlichen Erfahrung wäre. Wir halten also fest: Der biblische Befund lässt ein rein inneres Auferstehungsverständnis nicht zu. Auch Christi Himmelfahrt und deren vorherige Ankündigungen sowie das Pfingstwunder wären bei einem rein geistigen Auferstehungsverständnis sinnlos. Um nochmal Bezug zu nehmen auf den Kommentar von Prof. Schreiber, nein, Jesus ist nicht auf der Erde rumspaziert wie ein Geist, er ist rumspaziert wie ein real existierender Mensch. Dass er dabei trotzdem durch geschlossene Türen oder Wände gehen konnte, entspricht seiner Doppelnatur. Das ist das eigentliche Problem der obengenannten Theologieprofessoren. Die Doppelnatur Jesu wird nicht akzeptiert. Weder vor Ostern noch nach Ostern. Warum das so ist, werde ich am Schluss kommentieren.
Sind die Auferstehungsberichte historisch?
Wir wollen nun prüfen, ob wir anhand der Daten, die uns zur Verfügung stehen, davon ausgehen können, dass die Texte tatsachlich historische Begebenheiten berichten oder ob sie nur legendenhafte Ausschmückungen sind. Dabei sollten wir uns nochmal bewusst machen, dass eine Beweisführung wie in der Naturwissenschaft, in der man durch reproduzierbare Experimente im Labor eine Vorannahme bestätigen kann oder nicht, in der Geschichtswissenschaft nicht möglich ist. In der historischen Wissenschaft haben wir es mit vergangenen Ereignissen zu tun, die sich einer Wiederholbarkeit entziehen. Eine Beweisführung ist also ähnlich wie bei einem Strafprozess nur anhand von Indizien möglich. Es müssen Spuren und Hinweise gesammelt werden, es müssen Zeugen befragt werden und deren Glaubwürdigkeit anhand der ihrer Aussagen und anhand ihrer vorbekannten Persönlichkeit geprüft werden. Genau dies möchten wir jetzt auch bei der Frage nach der historischen Glaubwürdigkeit der Auferstehungsberichte tun. Ein besonderes Augenmerk wollen wir dabei auf mögliche nachträgliche Manipulationen der Texte, wie sie in der liberalen Theologie grundsätzlich behauptet werden, richten. Wir werden sehen, dass eine derartige historische Untersuchung aufgrund der Fülle an Datenmaterial im Falle der Auferstehung Jesu wie an keiner anderen Stelle der antiken Literatur möglich ist.
Dazu sagt Wibur Smith (aus „Die Bibel im Test“ von Josh Mc Dowell): „Die Bedeutung der Auferstehung ist eine theologische Sache, aber die Tatsache der Auferstehung ist eine historische Sache; das Wesen des Auferstehungsleibes Jesu mag ein Geheimnis sein, aber die Tatsache, dass der Leib aus dem Grab verschwand, ist eine Angelegenheit, die nach historischer Beweisführung entschieden werden muss.“
Es wäre ein Fehler zu glauben, für die historische Beweisführung stünden uns zu wenig Daten und Fakten zur Verfügung. Auch ist die Begebenheit nicht in grauer Urzeit geschehen, in der wir vielleicht nur vermuten können, dass etwas geschehen ist und nicht wie die näheren Umstände des Geschehenen waren. Das Leben Jesu spielte sich in der Römerzeit ab, deren Spuren wir heute überall in Südwest-Deutschland noch sehen können. Wenn man ein Limeseum besucht, kommt einem die Zeit zwischen Römern und uns sehr kurz vor. Wir wissen sehr viel über diese Zeit. Wir wissen auch viel über das Leben der Juden in Israel der damaligen Zeit unter der Besatzungsmacht der Römer und über die näheren Umstände der Verurteilung, der Kreuzigung und der Grablegung Jesu. Die Lokalisation ist geographisch festgelegt. Man kann die biblischen Wirkungsstätten bis heute besuchen. Der Mann, dem das Grab gehörte, lebte in der ersten Hälfte des 1.Jahrhunderts, wobei das Grab aus dem Felsen eines Felshügels gehauen worden war. Die Wachen vor dem Grab waren keine mystischen Figuren aus den griechischen Göttersagen. Das Synedrium (Hoher Rat) war keine Erfindung der Autoren, sondern eine real existierende Gruppe von Männern, die regelmäßig in Jerusalem tagte. Die Existenz von Pontius Pilatus ist inzwischen auch außerbiblisch nachgewiesen. Die Todesstrafe durch Kreuzigung war ein damals gängiges Strafmaß für die schlimmsten nicht-römischen Verbrecher. Der historische Hintergrund, auf denen die Evangelien das Leiden, das Sterben und die Grablegung sowie die Auferstehung beschreiben, ist einer historischen Untersuchung zugänglich und deckt sich in allen Teilen mit dem, was wir ausserbiblisch von der damaligen Zeit und den äußeren Umständen wissen. Man findet in den Evangelien keine geographischen, kulturellen oder religiösen Angaben, die in einem offenen Widerspruch zu dem stünden, was wir sonst über diese Zeit wissen. Auch die Nennung von Namen im NT entspricht der historisch nachweisbaren statistischen Häufigkeit und des allgemeinen Gebrauchs von Namen der damaligen Zeit. Wenn man von Wunderberichten absieht, dann ergäbe sich kein Anlass, an der Geschichtlichkeit der Berichte zu zweifeln. Die Erzählungen wirken völlig authentisch.
Nun zu den Berichten in der Bibel über die Auferstehung: In allen vier Evangelien werden uns die wesentlichen Inhalte des Begräbnisses und der Auferstehung geschildert. Zwar unterscheiden sie sich in Details, aber in den wesentlichen Elementen weisen sie eine beeindruckende Übereinstimmung auf. Das Argument des Schweigens (ex silentio) wie bei der Jungfrauengeburt, die im Markus und Johannesevangelium nicht erwähnt wird, kann hier nicht in Anspruch genommen werden. Alle vier Evangelien enthalten alle wesentlichen Teile der Grabes- und der Auferstehungsgeschichte. Grenzen wir unseren Fokus auf das vermutlich älteste Evangelium, das Markusevangelium, ein, so gewinnt man bei der Schilderung der Grablegung und der Auferstehung Jesu wie bei der Kreuzigung nie den Eindruck, als ob hier irgendwelche Legenden erzählt würden. Die Berichte von der Grablegung Jesu und dem leeren Grab am Sonntagmorgen sind angesichts der Dimension des Geschehens sehr nüchtern gehalten. Sie sind frei von theologischen Reflexionen oder apologetischen Motiven, wie sie für nachträgliche Legendenbildungen typisch sind. William Lane Craig schreibt hierzu: „Wir finden keine Ausführungen über Jesu Triumph über die Sünde und den Tod, keine christologischen Titel, keine Zitate erfüllter Prophezeiungen, keinerlei Beschreibung des Auferstandenen.“ Interessanterweise finden wir für die Auferstehung selbst keine Beschreibung oder Augenzeugenberichte. Hätte man in einem allgemein legendären Rahmen die Auferstehung nicht auch mystisch verklärt? Es gibt beispielsweise ein apokryphes Petrusevangelium, das eine Fälschung aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus ist, aus dem ich hier zitieren möchte:
„In der Nacht aber, in welcher der Herrentag aufleuchtete, als die Soldaten… Wache standen, erscholl eine laute Stimme am Himmel, und sie sahen die Himmel geöffnet und zwei Männer in einem großen Lichtglanz von dort herniedersteigen und sich dem Grabe nähern. Jener Stein, der vor den Eingang des Grabes gelegt war, geriet von selbst ins Rollen und wich zur Seite, und das Grab öffnete sich, und beide Jünglinge traten ein. Als nun jene Soldaten dies sahen, weckten sie den Hauptmann und die Ältesten, auch die waren nämlich bei der Wache zugegen. Und während sie erzählten, was sie gesehen hatten, sehen sie wiederum drei Männer aus dem Grab herauskommen und die zwei den einen stützen und ein Kreuz ihnen folgen und das Haupt der zwei bis zum Himmel reichen, dasjenige des von ihnen an der Hand Geführten aber die Himmel überragen. Und sie hörten eine Stimme aus den Himmeln rufen: Du hast den Entschlafenen gepredigt, und es wurde vom Kreuz her die Antwort laut: Ja. Jene erwogen nun miteinander hinzugehen und dies dem Pilatus zu melden.“
Hier rollt der Stein von selbst weg, kommen kosmische Engelsgestalten von einem gewaltigen Lichtglanz begleitet vom Himmel herab, Jesus wird von Engeln begleitet aus dem Grab geführt, deren Köpfe bis zum Himmel reichen, der Kopf des Geführten reicht sogar darüber hinaus. Schließlich kommt ein Kreuz aus dem Grab, das sogar hört und spricht. Sieht so nicht eher eine Legende aus? Vergleicht man eine derartige Geschichte mit der Schlichtheit der Auferstehungsgeschichte der Evangelien, dann findet man gerade dort keinerlei Merkmale einer mythologischen Erzählung, wie es manchmal behauptet wird. Nicht umsonst gesteht man auch von kritischer Seite den Auferstehungstexten einen hohen Grad von nüchterner Schilderung zu. Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, die Legendenbildung in Frage zu stellen. Man müsste sich fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass die letzten Kapitel der jeweiligen Evangelien, in denen Ereignisse beschrieben werden, die sich nur wenige Jahrzehnte zuvor zugetragen hatten, so akzeptiert und verbreitet worden wären, wenn die darin enthaltenen Geschichten falsch oder mythisch gewesen wären. Ich bilde mir ein, dass ich markante Ereignisse von vor 20- 30 Jahren bis heute immer noch wahrheitsgerecht und detailgenau, wie ich sie mir ursprünglich gemerkt habe, weitergeben oder aufschreiben könnte. Ein gutes Beispiel dafür ist meine Kennenlerngeschichte mit meiner Frau. Alle wesentlichen Teile dieser Geschichte gehören zu unserem gemeinsamen Erinnerungsgut. Es gibt allerdings einige Details, an die sich meine Frau besser erinnern kann, während ich andere Details, besser berichten kann. Keiner unserer Freunde würde daran zweifeln, dass unsere Geschichte historisch ist, nur weil sie 30 Jahre zurückliegt oder weil meine Frau Kleinigkeiten anders erzählt. Selbst wenn einer von uns die Tendenz hätte, ein Detail zu übertreiben oder neu zu erfinden, würde er sofort vom Partner korrigiert werden. Können wir bei den Auferstehungsgeschichten nicht auch mit einer gegenseitigen Korrektur bei mystischen Tendenzen rechnen? Es gibt allerdings einige Eigenschaften der Überlieferungsgeschichte der Auferstehungsberichte, die die Qualität der Überlieferung, verglichen mit unserer Kennenlerngeschichte, noch erhöhen. Je häufiger ich eine Information in meinem Gehirn abrufe, desto besser kann ich sie behalten. Das ist die einfache, aber wirkungsvolle Voraussetzung allen Lernens. Das Gedächtnis wird bekanntlich durch die Wiederholung geschult. Unsere Kennenlerngeschichte haben wir vielleicht in 30 Jahren 15 x vollständig erzählt. Wie oft werden die Augenzeugen wohl die Auferstehungsgeschichte erzählt haben? Es ist anzunehmen, dass durch die ständige Wiederholung und Weitergabe der Erzählungen unter den frühen Christen jeder Erzählinhalt sich tief ins Gedächtnis der Erzähler und der Zuhörer eingegraben hat. Gleichzeitig ist auch der Inhalt der Information ausschlaggebend für die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich etwas genau zu merken. Je besser sich ein Inhalt abgrenzt von anderen oder ähnlichen Informationen, desto besser bleibt er haften. Die Auferstehungsgeschichte war so außergewöhnlich, dass sie sich schon allein deshalb tief eingraviert haben dürfte. Im Falle der Auferstehung haben wir es also nicht nur mit einer häufigen Wiederholung und einer breiten Zeugenschaft, sondern auch mit einem mit nichts zu vergleichenden Bedeutungsgehalt zu tun. Alles Faktoren, die die Merkfähigkeit der Augen und Ohrenzeugen deutlich erhöhen. Nun kommt aber noch ein weiterer wesentlicher Faktor dazu. Wir haben es mit einer Gegnerschaft zu tun, die jede Falschdarstellung, wenn sie welche fände, zum Anlass nehmen würde, die Glaubwürdigkeit der Autoren zu untergraben. Die biblische Geschichtsdarstellung unterliegt hier einer doppelten Kontrolle, und zwar der der eigenen Leute und der der Gegner. Ginge man davon aus, dass jeder Autor nur abgeschrieben hätte und keine eigenen Erinnerungen eingebracht hätte, selbst dann wäre die Pflege einer derartigen Legendenkultur nicht leicht oder erst recht nicht möglich gewesen. Und man darf nicht vergessen, dass die Jünger, die uns die höchsten ethischen Maßstäbe gebracht haben, die die Welt bis heute kennt, sich gemäß ihrem gelebten Zeugnis ihrer Verantwortung vor dem Höchsten bewusst waren, sodass man Ihnen keinen leichtfertigen Umgang mit der Wahrheit nachsagen könnte. Daher ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Auferstehungsberichte, die in wesentlichen Teilen übereinstimmen, reine Erfindungen sind. Diese Legendentheorie zerbricht an ihrer eigenen Fragilität. Ambrose Fleming sagt, „dass es in den Evangelien nichts gibt, was einem wissenschaftlich denkenden Menschen Probleme mit den Wundern machen würde. Er fordert zu intellektueller Aufrichtigkeit auf und meint, wenn solch ein… Studium mit dem unternommen würde was eminente Rechtsgelehrte einen guten Willen nennen, so würde es eine tiefe Gewissheit hervorrufen, dass die christliche Kirche nicht auf Fiktionen beruht oder vom Wahn genährt wurde oder, wie Petrus es sagt, von klug ersonnenen Fabeln, sondern dass sie sich auf historische und wirkliche Ereignisse gründet, die- wie seltsam sie auch sein mögen- die größten Ereignisse sind, die sich je in der Weltgeschichte zugetragen haben.“
Einschub zur Überlieferungsgeschichte der Evangelien.
Um die Wahrscheinlichkeit einer Legendenbildung auch für einen theologischen Laien noch besser einordnen zu können, ist es zunächst einmal von Vorteil, sich den Überlieferungsprozess genauer anzuschauen: Die Zeit zwischen der Himmelfahrt und der Abfassung der Evangelien ist kein luftleerer Raum, in dem nichts passiert ist oder von dem wir nicht wissen, was passiert ist. Wir dürfen annehmen, dass in den ersten Jahren die Geschichten und Gleichnisse Jesu überwiegend mündlich weitergegeben wurden, wobei die Qualität der Überlieferung einerseits auf der häufigen Wiederholung der Erzählinhalte und andererseits auf dem Auswendiglernen von Gleichnissen und Aussagen Jesu beruhen dürfte. Das Auswendiglernen war ein wichtiger Bestandteil der jüdische-religiösen Tradition, wie das bis heute bei den orthodoxen Juden üblich ist. Dabei muss beachtet werden, dass die Weitergabe nicht nur von einer Quelle aus erfolgte, sondern eine Vielzahl von Augenzeugen zur Verfügung stand, die den Stein der Überlieferungs-Geschichte ins Rollen brachte. Früher habe ich mich immer gefragt, warum man denn mit einer schriftlichen Dokumentation des Lebens von Jesus so lange gewartet hat? (20 -30 Jahre). Wir sind heute gewohnt, wichtige Informationen immer sofort aufzuschreiben. In der Antike war dies natürlich anders. Die größte Mehrheit der Bevölkerung waren Analphabeten. Es hätte also nichts genützt, irgendwelche Schriften zu verteilen. Die Geschichten wurden zunächst hauptsächlich mündlich weitergegeben. Trotzdem dürfen wir erwarten, dass man sich auch schriftliche Notizen gemacht hat. Stefan Gustavsson schreibt dazu: „Wir haben aus der Antike zum Beispiel viele Berichte über Notizen von Vorlesungen…. Wir können auch festhalten, dass den Evangelien die Fähigkeit des Schreibens nicht fremd ist. Der Verwandte von Jesus, Zacharias, verlangte ein Wachstäfelchen und schrieb. Jesus berichtet von einem korrupten Verwalter, der die Schuldner seines Herrn besuchte und ihnen Erleichterung der Schulden anbot: Hier ist dein Schuldschein. Setz dich schnell hin und schreib… Wir haben auch Grund anzunehmen, dass es auch unter den Jüngern von Jesus solche gab, die schreiben konnten.“ Alan Millard, Professor für Hebraistik und antike semitische Sprachen an der Universität Liverpool, schreibt: „Zu den Nachfolgern und Zuhörern von Jesus gehörten Menschen aus unterschiedlichen Berufen, in denen die Fähigkeit zu schreiben notwendig war, Steuereintreiber (Matthäus) und Zachäus werden genannt) und Zenturionen, die, wie wenn sie nicht selbst schreiben konnten einen Sekretär hatten. Johanna, die Frau eines hohen Beamten bei Herodes Antipas (Luk 8,1-3) und sicher auch andere nicht weiter genannte Hofangestellte und Beamte aus sowohl der jüdischen als auch der römischen Führungsschicht waren gewohnt zu schreiben, was auch für Schriftgelehrte, Pharisäer und Mitglieder des Sanhedrins galt.“
Wir können ohne weiteres damit rechnen, dass es frühe schriftliche Aufzeichnungen gab. Im Lukas-Prolog im ersten Kapitel seines Evangeliums weist Lukas darauf hin, dass schon viele es unternommen haben, Bericht zu geben von den Geschichten, die unter ihnen geschehen sind, wie uns das überliefert haben, die es von Anfang an selbst gesehen haben und Diener des Wortes gewesen sind.“ Wir können also auch davon ausgehen, dass beide Überlieferungsstränge- der mündliche und der schriftliche- Hand in Hand gingen. Wenn uns heute sehr frühe Manuskripte fehlen, heißt das nicht, dass es sie nicht gab. Nun kommen aber noch die Augenzeugen ins Spiel, die den mündlichen und den schriftlichen Überlieferungsprozess begleiteten und die selbst öffentliche- keine anonymen- Bürgen für die Wahrheit waren. Wie oben schon erwähnt, ist es nicht wahrscheinlich, dass die Überlieferung vor den Ohren und den Augen der unmittelbaren Zeugen des Geschehens sich so stark veränderte, dass am Ende eine unwahre Geschichte entstand. Das gilt natürlich erst recht, wenn man bedenkt, dass die Schreiber des Matthäus- und Johannesevangeliums selbst Augen und Ohrenzeugen waren. Auf diesem Hintergrund macht es keinen großen Unterschied, ob die Evangelien 20 Jahre früher oder später als Ganzes schriftlich zusammengefasst wurden. Wie in anderen Kapiteln dargelegt, neigt man heute in der Wissenschaft dazu, die Niederschrift der Evangelien eher wieder früher zu datieren. Ein weiterer Aspekt verdient erwähnt zu werden: Die Geschichten wurden als erstes dort erzählt, wo sie sich ereignet haben, nicht in Rom oder in den Gemeinden in Kleinasien. Die Erzählkultur entstand also primär an dem Ort, wo sie unter den Arcus-Augen der gegnerischen, jüdischen Obrigkeit jederzeit der Falschdarstellung bezichtigt werden hätten können. Ein weiteres Indiz für die Authentizität der Berichte.
In der liberalen Theologie geht man, wie oben erwähnt, von legendenhaften Ausschmückungen aus. Welche weiteren Gründe sprechen dagegen?
- Die Jünger waren nach dem Tod Jesu, den sie für den Messias gehalten hatten am Boden zerstört. Der Tod Jesu hat alle Hoffnungen der Jünger begraben. Von den Emmaus-Jüngern wird berichtet, dass sie traurig stehen blieben. Was könnte die Jünger also veranlasst haben, plötzlich wieder Hoffnung zu schöpfen und an den vorösterlichen Glauben anzuknüpfen? Es ist unwahrscheinlich, dass nach einer derartigen Katastrophe nur die Kraft des positiven Umdenkens ausgereicht haben könnte, zumal die Jünger überwiegend Pragmatiker waren und keine Philosophen oder Psychologen.
- Im jüdischen Denken war der Tod am Kreuz ein Zeichen für das Verfluchtsein von Gott. Auch wenn die Jünger selbst den Tod nicht gewollt haben, dürfte es nicht leicht gewesen sein, sich ideologisch über den Zusammenhang zwischen einem Tod am Kreuz und dem Fluch, der im mosaischen Gesetzt verankert war, hinwegzusetzen. Dass sie es trotzdem taten, setzt ein Ereignis voraus, das ihnen die Sicherheit gab, hier nicht gegen die Autorität der Thora zu handeln. Man sollte sich bewusst machen, dass mit der Botschaft der Auferweckung Jesu sich die Apostel gegen jegliche festverankerte jüdische Tradition gewendet haben. Die angenommene Legende widerspräche der hohen autoritativen Instanz der jüdischen Obrigkeit. Wenn der wahre Grund, nämlich die Überzeugung aufgrund des eigenen Erlebens, dass man Jesus leibhaftig begegnete, wegfallen würde, wäre die Reaktion der Jünger und späteren Apostel völlig absurd.
- Selbst wenn die Jünger den intensiven Wunsch gehabt hätten, Jesu schmachvollen Tod geistig rückgängig zu machen und Jesus als Erlöser hochzustilisieren, wäre ihnen von ihrem gesellschaftlichen Status und ihrem ängstlich-zurückhaltenden Charakter her niemals zuzutrauen gewesen, eine der damaligen jüdischen Tradition dermaßen widersprechende Figur und Vorstellung zu etablieren. Heinzpeter Hempelmann schreibt dazu: „Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass Leute, die aus jüdischer Tradition kommen, den Anbruch der Endereignisse für Jesus allein ohne zwingenden Anlass konzipiert hätten.“ Die Auferstehung von den Toten am Ende der Zeiten war damals zwar weit verbreitet, sie wurde aber nur für die Menschheit insgesamt erwartet. Die Erwartung der Auferstehung eines Einzelnen vor dem jüngsten Gericht taucht nirgendwo auf. Wie hätten die Jünger eine derartige Vorstellung ohne historischen Anlass und entgegen der jüdischen Tradition durchsetzen können?
- Der Text gibt uns sehr viel Anlass zu glauben, dass die Evangelisten authentisch berichten. Die ersten Osterzeugen werden uns voller Angst, zweifelnd und unsicher beschrieben. Im Markusevangelium heißt es: Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemanden etwas; denn sie fürchteten sich. Bei einer Legendenbildung würde man so etwas nicht erfinden. Wenn man andere Menschen ohne Rücksicht auf die Wahrheit von einer Sache überzeugen will, dann präsentiert man ihnen nicht ausführlich die anfänglichen Zweifel. Man erwähnt die Zweifel höchstens in einem Nebensatz, um das Gegenüber abzuholen, und fährt dann mit einem dicken „aber“ fort, man würde aber niemals die Situationen, in denen der Zweifel zum Ausdruck kommt, so ausführlich schildern, wie es in den Evangelien der Fall ist.
- Im Lukasevangelium wird uns die Begegnung des Auferstandenen mit den Emmausjüngern berichtet. Einer hieß Kleopas, der Name des anderen wird nicht erwähnt. In den Emmausjüngern haben wir es mit völlig unbekannten Osterzeugen zu tun. Hätte man für eine Legende nicht bekanntere Figuren gewählt? Auch diese Geschichte von den Emmausjüngern trägt die Merkmale von Authentizität.
- Eines der sehr wichtigen Argumente für die Historizität der Auferstehungsberichte ist die Augenzeugenschaft der Jüngerinnen. Frauen galten in der damaligen Männergesellschaft allgemein als leicht erregbar, leichtgläubig und wenig verlässlich. Entsprechend hatten Zeugenaussagen von Frauen keinen vollwertigen Status. William Lane Craig schreibt: Im Palästina des 1.Jahrhunderts waren Frauen Menschen zweiter Klasse; vor einem jüdischen Gericht konnten sie nicht als Zeugen auftreten. Josephus Flavius, ein bekannter Geschichtsschreiber der damaligen Zeit schreibt: Das Zeugnis der Frau ist nicht rechtsgültig wegen der Leichtfertigkeit und Dreistigkeit des weiblichen Geschlechts (aus: Wirklich auferstanden? von Hans-Peter Hempelmann, S.35). Nun werden aber ausgerechnet Frauen als die ersten Zeugen der Auferstehung erwähnt, und zwar wiederum in allen 4 Evangelien. Das zeigt, dass die Berichte nicht erfunden sein können. Hätte man, um die Beweiskraft einer fiktiven oder legendenhaften Erzählung zu erhöhen, nicht besser Petrus oder andere Jünger als erste am Grab auftreten lassen müssen? Manche Autoren sprechen hier von der Peinlichkeit der Auferstehungs-Geschichte. Die Geringschätzigkeit der Glaubwürdigkeit des weiblichen Zeugnisses zeigt sich sogar im Text selbst: Luk.24,11: „Und es erschienen ihnen diese Worte, als wär’s Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht. Dies ist auch der Grund, warum Paulus in 1. Kor.15 nur männliche Zeugen aufreiht. Die Evangelisten erwecken auf diesem Hintergrund den Eindruck, als wäre ihnen nichts anderes übrig geblieben, als es so zu schreiben, wie es wirklich war. Pinchas Lapide, jüdischer Professor für Neues Testament, schreibt: „In einer rein erfundenen Geschichte hätte man sich gehütet, ausgerechnet Frauen zu Kronzeugen der Auferstehung zu machen, da sie im rabbinischen Judentum als zeugnisunfähig galten“. Die weiblichen Primärzeugen stellen also ein weiteres wichtiges Indiz für die Glaubwürdigkeit der Berichte dar.
Eric Metaxas schreibt: „Man kann nicht vernünftigerweise daran zweifeln, dass Jesus tatsächlich gelebt hat, dass er gekreuzigt und in einem Felsengrab beigesetzt wurde und dass dieses Grab am dritten Tage leer vorgefunden wurde.“ Die Tatsache des Lebens und des Sterbens Jesu wird heute von keinem ernst zu nehmenden Historiker mehr angezweifelt. Das Leben von Jesus ist heute historisch besser bestätigt als das irgendeiner anderen antiken Persönlichkeit. Angezweifelt, aber nicht weniger historisch belegt, ist jedoch die Tatsache, dass das Grab nach 3 Tagen leer war. Wir wollen nun einer sehr wichtigen Frage nachgehen, wie wahrscheinlich es ist, dass das Grab nicht leer war, und die Schreiber der Evangelien hier gemogelt haben?
Das Begräbnis
Bevor wir diese Frage erörtern können, sollten wir uns zunächst vergegenwärtigen, wie Jesus beerdigt worden ist. Nach seiner Kreuzigung und nach Eintritt des Todes wurde Jesus von Josef von Arimathäa in ein Grab gelegt. Mit diesem Satz könnte man die Begräbnisgeschichte, die in allen 4 Evangelien erwähnt wird, zusammenfassen. Die Tatsache, dass Jesus ein solches Begräbnis bekam, und, nicht wie sonst üblich, irgendwo in einem Massengrab für Schwerverbrecher verscharrt wurde, spielt für unsere Beweisführung eine große Rolle, weil wir daraus schließen können, dass die Grabstätte in Jerusalem bekannt war. Ohne diesen Befund würde sich unsere obige Fragestellung erübrigen oder besser-relativieren. Nun, was spricht dafür, dass die Begräbnisgeschichte authentisch ist?
1.Jesu Begräbnis wird auch in dem sehr alten Bekenntnis von Paulus in 1.Kor.15,3-5 erwähnt: „Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; 4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift; 5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen…“ Diese Stelle im berühmten 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes gilt als sehr frühe Bekenntnisformel. Dass das Begräbnis hier extra erwähnt wird, ist ein wichtiges Indiz dafür, dass es sehr früh zum elementaren Glaubensgut der ersten Christen gehörte und deshalb auch in die Bekenntnisformel mitaufgenommen worden ist. Im Griechischen wird jede Phrase durch ein extra „hoti“ eingeleitet. Man könnte also übersetzen: (Nach der Interlinearübersetzung) Dass Christus gestorben ist…, dass er begraben worden ist, und dass er auferweckt worden ist…, dass er gesehen worden ist…! Das wiederrum spricht gegen die Annahme, bei dem Satz: „dass er begraben worden ist“ handele es sich lediglich um einen den vorausgehenden Satz verstärkenden Zusatz und nicht um eine extra Betonung der Tatsache des Begräbnisses. Gleichzeitig scheinen die beiden ersten genannten Tatsachen-gestorben und begraben- den beiden nachfolgenden Tatsachen– auferstanden und erschienen- gegenübergestellt zu sein. Jedes Element des ersten Begriffspaares bekommt seinen Gegensatz im 2 Begriffspaar. Man kann annehmen, dass das Begräbnis ebenso wie die anderen Teile des Bekenntnisses als unabhängige Gegebenheit betrachtet wurde. Hans-Peter Hempelmann schreibt dazu in: Wirklich auferstanden? : Dieser Befund drängt zu der Behauptung, dass nach der Paulusformel die beiden Tatsachen- gestorben und begraben- durch die beiden Tatsachen -auferstanden und erschienen- aufgehoben wurden. Das aber bedeutet: Auch Paulus wusste, dass das Grab leer war. (Staudinger)
2.Es wird in sehr frühen Quellen erwähnt, die Markus beim Schreiben seines Evangeliums benutzte. In der Quellenforschung geht man davon aus, dass Markus das erste Evangelium war, das geschrieben worden ist. Wenn das stimmt, dann legt der Vergleich der sporadischen und ungefähren Formulierungsübereinstimmungen von Matthäus und Lukas mit Markus und die zwischen beiden späteren Synoptikern übereinstimmenden Abweichungen von Markus es nahe, dass Markus nicht die einzige Quelle für Matthäus und Lukas war. Es müsste noch weitere unabhängige Quellen gegeben haben: William Lane Craig schreibt dazu: „Dass es so viele unabhängig voneinander existierende Quellen gibt, ist wichtig, denn, wie Markus Borg erklärt:“ Wenn eine Überlieferung in einer frühen Quelle und in einer anderen eigenständigen Quelle erscheint, dann ist sie nicht nur früh, sondern sehr wahrscheinlich auch nicht erfunden. Es ist bemerkenswert, dass wir es bei dem Begräbnis Jesu mit einigen der ältesten hinter dem Neuen Testament stehenden Quellen zu tun haben (z.B. der vorpaulinischen Bekenntnisformel und der vormarkianischen Passionsgeschichte) sowie mit mehreren anderen Quellen.“
3. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Josef von Arimathäa als Mitglied des Hohen Rates keine fiktive Person ist. In allen vier Evangelien wird der Name dessen genannt, der nach Einholen der Erlaubnis den Leichnam Jesu in ein Grab legte, um Jesus ein ehrenvolles Begräbnis zuteilwerden zu lassen. Josef von Arimathäa war ein reiches Mitglied des Sanhedrins, also der jüdischen Führungselite, die die Verurteilung Jesu vorantrieb und die Kreuzigung verantwortete. Ein Mitverantwortlicher wäre der letzte gewesen, von dem man erwartet hätte, dass er dem toten Jesus diese Ehre erweisen würde. Hätte man die Begräbnisgeschichte erfunden, hätte man mit hoher Wahrscheinlichkeit eine andere fiktive Figur gewählt, die für ein ehrenvolles Begräbnis gesorgt hätte. Z.B Verwandte von Jesus oder die Jünger Jesu. William Lane Craig spricht vom Kriterium der Unähnlichkeit. Die Person des Josef passe überhaupt nicht zu der in der frühen Kirche vorherrschenden Einstellung gegenüber dem Hohen Rat, der den Justizmord Jesu eingefädelt hat. Raymond Brown, zitiert von William Lane Craig, schreibe in seinem maßgebenden Werk: The death of the Messiah: „Dass das Begräbnis tatsächlich von Josef von Arimathäa vorgenommen wurde, ist sehr wahrscheinlich, da es angesichts der in manchen frühchristlichen Schriften zum Ausdruck kommenden Feindseligkeit gegenüber der für den Tod Jesu verantwortlichen jüdischen Obrigkeit schier unvorstellbar ist, dass ein christlicher Autor aus dem Nichts ein Sanhedrin-Mitglied hervorgezaubert hätte, das das tat, was recht war…“
4. In den Begräbnisgeschichten fehlen jegliche Spuren von Legendenbildungen. Der ganze Bericht ist in allen Evangelien sehr schlicht und nüchtern gehalten. Es kommen wie oben schon erwähnt, keinerlei theologische Deutungen, Bezüge zu alttestamentlichen Zitaten oder dergleichen vor. Dies steht im krassen Gegensatz zu späteren apokryphen Texten über die Auferstehung aus dem zweiten und dritten Jahrhundert, in denen die Auferstehung ganz offensichtlich legendenartig ausgeschmückt sind.
5.Es gibt keine alternative Erzählung vom Begräbnis Jesu. Dies ist möglicherweise eines der schwerwiegendsten Argumente gegen eine Legendenbildung. Wenn die Begräbnisgeschichte eine Legende ist, warum gibt es dann keine anderen Begräbnisgeschichten, ganz geschweige von irgendwelchem Spuren davon. Der Vergleich mit diversen Mythen über die Leichname von solchen heidnischen Figuren wie Osiris oder Empedokles, bei denen es mehrere gegensätzliche Erzählvarianten gibt, zeigt, dass hier ein schwerwiegendes Kriterium der Legendenbildung wegfällt. William Lane Craig schreibt dazu: Wo keine historischen Fakten die Fantasie zügeln, kann es gleichzeitig und unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Legenden kommen. Wenn die Grablegungsgeschichte eine bloße Legende ist, warum gibt es dann keine Alternativdarstellungen, z.B. ein Begräbnis durch treue Jünger Jesu oder durch seine Verwandten oder durch (auf Anweisung eines mitfühlenden Pilatus) die Römer?
Alle 5 genannten Argumente sprechen für die Historizität der biblischen Begräbnisgeschichte und dass Josef von Arimathäa tatsächlich derjenige war, der sich für ein ehrenvolles Begräbnis von Jesus einsetzte. Für unsere eigentliche Fragestellung heißt dies, dass das Grab, in das Jesus gelegt wurde, bekannt war. Darüber hinaus sollte man nicht vergessen, dass die Geschichte vom Sonntagmorgen, an dem Maria von Magdala und die anderen Frauen zuerst zum Grab kommen, um Jesus nochmal einzubalsamieren, auch völlig sinnlos wäre, wenn sie nicht gewusst hätten, wo Jesus begraben liegt. Eine Legendenbildung um einzelne Punkte einer Geschichte lässt sich immer irgendwie plausibel machen, eine zusammenhängende aufwändige Komposition von Einzelgeschichten, die auch noch logisch nachvollziehbar ist, lässt sich nur schwer als reine Legendenbildung abtun. Nun zu unserer eigentlichen Frage:
War das Grab leer?
Dem aufmerksamen Leser dieser Texte wird die Antwort relativ leichtfallen: Die geistlichen Führer der Juden hatten jedes Interesse der Welt daran, dass Jesus im Grab blieb. Sie hatten Jesus ja gerade deshalb ans Kreuz geliefert, um zu beweisen, dass er nicht der versprochene Messias war und seine Jünger irregeleitete naive Menschen waren, weil sie allen Ernstes glaubten, dass Jesus nach 3 Tagen auferstehen würde. An der Stelle ist auch die Nachricht in Mt. 27 interessant, dass die Juden offensichtlich ein hohes Interesse daran hatten, das Jesu Leib nicht gestohlen wurde. Ein volles Grab wäre das beste Argument für die Gegner des Auferstehungsglaubens gewesen. Man muss fragen: Wenn Jesu Leichnam im Grab geblieben wäre, hätte die jüdische Obrigkeit dann das Grab nicht weiter bewachen lassen, um es für die Öffentlichkeit zum Ort des Gegen-Beweises gegen den Auferstehungsglauben zu machen? Jeder Bürger von Jerusalem hätte sich so selbst vergewissern können, dass die übertriebenen Behauptungen der Jünger nichts anderes als Hirngespinste sind. Für die breite Mehrheit des Volkes hätte man ein klares Argument gegen die Auferstehung in der Hand gehabt. Die neue christliche Bewegung wäre schon am Ende gewesen, bevor sie überhaupt begonnen hätte. Dieses Argument stand den Gegnern aber nicht zur Verfügung. Man findet keine Spur davon, dass man auch nur den Versuch unternommen hätte, mit einem vollen Grab gegen die neue Bewegung zu argumentieren. In der gesamten damaligen Literatur einschließlich der Evangelien findet man keinen Hinweis darauf, dass es ein derartiges Argument überhaupt gegeben hätte, was nur bedeuten kann, dass das Grab tatsächlich leer war. Noch schwerer wiegt jedoch, dass am Ort des Grabes, nämlich in Jerusalem, in den Folgejahren einer der größten judenchristlichen Gemeinden der damaligen Welt entstehen wird, in denen auch ehemalige Pharisäer, Schriftgelehrte und Priester vertreten sein werden. Apg.6,7: „Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam“ Ist es denkbar, dass eine derartige Erweckungsbewegung zustande gekommen wäre, wenn alle Beteiligten die ganze Zeit gewusst hätten, dass Jesu Leichnam noch immer im Grab lag, vor allem dann, wenn man weiß, dass die Predigt von der Auferstehung die Kernbotschaft war, auf der sich der neue Glaube gründete? Das Argument des leeren Grabes hat also eine doppelte Absicherung. Zum einen das Fehlen des Gegenargumentes auf Seiten der Gegnerschaft, zum andern die Wirkung der Predigt von der Auferstehung auf Seiten derjenigen, die zum Glauben kommen sollten. John Stott sagt sehr treffend: „Das Schweigen der Feinde Christi spricht hier ebenso deutlich wie das Zeugnis der Jünger.“ Paul Althaus sagt (aus: „Die Bibel im Test“ von Josh Mc Dowell, S 322) „Denn die Jünger, denen er erschienen war, traten bald nach Jesu Hinrichtung in Jerusalem, an dem Orte, wo er gestorben und begraben war, auf mit der Verkündigung, dass er von Gott auferweckt sei. Diese Botschaft besagt für alle, die sie verkündeten, und für alle, die sie hörten: Das Grab ist leer. Sie hätten sich keinen Tag, keine Stunde in Jerusalem halten können, wenn das Leersein des Grabes nicht als Tatsache für alle Beteiligten festgestanden hätte, wenn sie nur irgendwie fraglich gewesen wäre“
W.Pannenberg: „Zu den allgemeinen historischen Gründen, die für die Zuverlässigkeit der Nachricht von der Auffindung des leeren Grabes Jesu sprechen, gehört vor allem auch die Tatsache, dass die frühe jüdische Polemik gegen die christliche Botschaft von der Auferstehung Jesu, die bereits in den Evangelien ihre Spuren hinterlassen hat, keinerlei Hinweise darauf bietet, dass das Grab Jesu unberührt gewesen wäre. Die jüdische Polemik hätte an der Aufbewahrung einer solchen Nachricht alles Interesse haben müssen. Sie teilte aber ganz im Gegenteil mit ihren christlichen Gegnern die Überzeugung, dass das Grab Jesu leer war. Sie beschränkte sich darauf, diese Tatsache in einem eigenen, der christlichen Botschaft abträglichen Sinne zu erklären.“
(In Bibel im Test S.334): „Die Kirche wurde auf die Auferstehung gegründet. Hätte man diese widerlegt, so wäre die gesamte christliche Bewegung zerstört worden. Aber statt irgendeines solchen Gegenbeweises wurden die Christen im ganzen ersten Jahrhundert bedroht, geschlagen, ausgepeitscht und getötet wegen ihres Glaubens. Es wäre viel einfacher gewesen, sie zum Schweigen zu bringen, indem man den Leib Jesu herbeigeschafft hätte. Das wurde nie getan“.
Ich möchte das oben erwähnte doppelte Argument anhand von 2 Reden untermauern, die nach der Auferstehung gehalten wurden. In Apostelgeschichte 2 gibt Lukas die Pfingstpredigt von Petrus wieder. Mittelpunkt bzw. Zielpunkt dieser Predigt war die Auferstehung. Niemand unternahm auch nur den Versuch, die anmaßende Verkündigung von der Auferstehung durch das Argument des vollen Grabes zu widerlegen. Warum? Weil jeder wusste, dass der Leichnam Jesu aus dem Grab verschwunden war. Ausgerechnet an dem Ort, wo der Widerspruch zwischen der Verkündigung und den überprüfbaren Tatsachen am offensichtlichsten gewesen wäre, kommen an einem Tag ca. 3000 Menschen auf einmal zum Glauben. Hätte die Predigt auch eine derartige Wirkung entfaltet, wenn die Menschen gerade von der Besichtigung des vollen Grabes zurückgekehrt wären? Die zweite Rede ist die von Paulus vor Festus nach seiner Gefangennahme. Auch zum Gerichtsverfahren von Paulus in Cäsarea durch Festus kamen die Juden von Jerusalem, um viele und schwere Klagen gegen Paulus vorzubringen, die sie aber nicht beweisen konnten. Die Klagen waren für Festus schwer nachvollziehbar. Weder in der Verteidigungsrede von Paulus noch an der Reaktion von Festus, der keine berechtigten Beschuldigungen erkennen konnte (V.27) finden sich Anzeichen dafür, dass man sich um den Zustand des Grabes am Ostersonntag und danach gestritten hätte.
Wenn es tatsächlich den Versuch gegeben hätte, mit der Tatsache des vollen Grabes gegen die christliche Bewegung zu argumentieren, für die die Auferstehung Jesu von den Toten das zentralste Element ihrer Verkündigung war, dann müsste man zumindest gewisse Spuren dieser Auseinandersetzung auch im Neuen Testament finden. Viele kontroverse Auseinandersetzungen mit der jüdischen Obrigkeit auch nach der Kreuzigung finden ihren Niederschlag im NT. (Vergl. Apg. 4,1+ 2. Apg.5,27) Man findet jedoch (abgesehen vom alternativen Erklärungsversuch des leeren Grabes) weder in den Auferstehungsberichten noch in den Briefen irgendwelche Anzeichen dafür. Falls man in Betracht ziehen würde, dass die Schreiber des neuen Testamentes jegliche derartigen Spuren in ihren Berichten verwischt haben könnten, um das leere Grab vorzutäuschen, dann müsste man den Autoren nicht nur einen leichtsinnigen Umgang mit der Wahrheit, sondern höchst kriminelle Machenschaften bescheinigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendeinen gläubigen Christen geben kann, der so etwas in Betracht zieht. Die Tatsache der fehlenden Widerlegung des leeren Grabes mithilfe des Beweises des vollen Grabes bestätigt unzweideutig, dass die mächtigen Gegner des christlichen Glaubens das Beweismittel nicht zur Verfügung hatten.
Auf die Zeugenschaft der Frauen wurde bereits weiter oben eingegangen. Ein weiterer Hinweis auf die Glaubwürdigkeit der Berichte besteht darin, dass das leere Grab für die ankommenden Zeugen zunächst keine Beweiskraft für die Auferstehung Jesu besitzt. Im Gegenteil. Es kommt zu Zweifeln und Fantasien, der Leichnam könnte weggenommen worden sein. Maria verdächtigt zunächst den Gärtner. Damit fällt auch das historisch-kritische Argument weg, die Jünger könnten es als Beweismittel für ihre Osterbotschaft erfunden haben. Gerade als Beweismittel fungierte das leere Grab für die ersten Zeugen noch gar nicht.
Zum Schluss dieses Abschnittes möchte ich noch einen bekannten Historiker, Michael Grant, zu Wort kommen lassen. (Aus: Wirklich auferstanden? Von Hans-Peter Hempelmann) Nach Grant kann der Historiker „nicht bestreiten, dass die Gruft wirklich leer gewesen ist. Wohl wird die Entdeckung dieses Umstandes von den einzelnen Evangelien verschieden dargestellt- und darauf haben heidnische Kritiker schon sehr bald hingewiesen. Wenn wir aber hier die gleichen Kriterien wie bei anderen historischen Quellen anwenden, dann müssen wir sagen, es wird deutlich und glaubhaft festgestellt, dass die Gruft verlassen aufgefunden wurde.“
Die allgemeine Situation und die Indizien sprechen also eindeutig für die Tatsache des leeren Grabes. Auf dem Hintergrund der bisherigen Beweisführung war es also nur folgerichtig, was nun geschah. Für die Hohenpriester und Schriftgelehrten war das Verschwinden der Leiche Jesu ebenso unerklärlich wie für viele andere auch. Um das Gerücht der Auferstehung möglichst frühzeitig zu unterbinden, brauchte man eine alternative Erklärung für das leere Grab. Letztlich blieb der jüdischen Obrigkeit keine andere Wahl, als zu behaupten, der Leichnam sei von den Jüngern gestohlen worden. Sie zahlte sogar Bestechungsgeld für die Verbreitung des Gerüchtes, der Leichnam sei gestohlen worden. Mt.28,11ff: „ Als sie aber hingingen, siehe, da kamen einige von der Wache in die Stadt und verkündeten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. Und die kamen mit den Ältesten zusammen, hielten Rat und gaben den Soldaten viel Geld und sprachen: Sagt, seine Jünger sind in der Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. Und wenn es dem Statthalter zu Ohren kommt, wollen wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu fürchten habt. Sie nahmen das Geld und taten, wie sie angewiesen waren. Und dies Gerücht hat sich bei Juden verbreitet bis auf den heutigen Tag.“
Die Reaktion der führenden Priester passt logischerweise hervorragend in den Gesamtvorgang. Wenn man von der Tatsache des leeren Grabes ausgeht und von den allgemeinen Bestrebungen, den Auferstehungsglauben im Keim zu ersticken,- alles spricht dafür- dann ist das Verhalten der Priester nicht nur wahrscheinlich, sondern folgerichtig. Kritische Anfragen aus dem Volk, wie es zum leeren Grab gekommen ist, hätte sie in massive Erklärungsnot gebracht, also brauchte man möglichst rasch eine alternative Erklärung. Die einzige noch halbwegs plausible Erklärung war ein Leichendiebstahl durch die Jünger. Berücksichtigt man alle diese Aspekte, dann kommt man nicht umhin, die Ausführungen der Evangelisten für historisch zu halten.
Mancher liberale Theologe ist der Meinung, hier zeige sich der naive Erfindungsgeist von Matthäus, weil sowohl ein Leichendiebstahl während ihrer Wache als auch eine Bestechlichkeit das Todesurteil für die Wachsoldaten bedeutet hätte. Es wäre also absurd gewesen, den Wachsoldaten eine grobe Verletzung ihrer Dienstpflicht zu unterstellen und sie behaupten zu lassen, der Leichnam sei gestohlen worden, während sie schliefen. Andererseits lässt sich sagen: Wenn die Bestechungstheorie schon damals wenig glaubwürdig gewesen wäre, weil jeder das auf diesem Tatbestand stehende Todesurteil kannte, dann wäre es absurd gewesen, wenn Matthäus sie einfach erfunden und genutzt hätte. Warum hätte sich Matthäus eines völlig unglaubwürdigen Gerüchtes bedienen sollen und warum haben ihm dann viele trotzdem geglaubt? Hier kann es nur eine Erklärung geben: Das Grab war tatsächlich leer und die Soldaten waren selbst völlig konsterniert, weil sie sich das alles nicht erklären konnten. Auch die Reaktion der Hohenpriester ist logisch nachvollziehbar. Wenn etwas nicht sein darf, dann gebe ich mich auch mit schwachen oder sogar implausiblen Erklärungen zufrieden. Die Wahrheit wurde hier gefügig gemacht, indem man das Gerücht des Leichenraubes in die Welt setzte, während den Soldaten nichts anderes übrig blieb, als sich auf eine Bestechung durch die Hohenpriester einzulassen Viel wahrscheinlicher und überzeugender, als dass den Soldaten von den Evangelisten aufgrund eines falschen Grundes (das Grab ist voll) eine gravierende Pflichtverletzung unterschoben werden konnte, ist doch, dass der Grund stimmte und die Soldaten gezwungen waren, eine alternative Erklärung zu finden. So konnten sie wenigstens mit dem Bestechungsgeld und dem von den Hohenpriestern bewirkten Freispruch durch den Statthalter rechnen. Das klingt plausibel genug, um glauben zu können, dass es tatsächlich so war, auch wenn es auf den ersten Blick für den unbedarften Leser etwas seltsam anmuten könnte.
Wir wollen nun trotzdem einmal davon ausgehen, die Geschichte mit dem Leichenraub durch die Jünger hätte der Wahrheit entsprochen. Dann müsste man sich fragen, warum die Soldaten nicht tatsächlich hart bestraft worden wären, weil sie ihrer Dienstverpflichtung nicht nachgekommen wären. Dies natürlich umso mehr, als die jüdische und römische Macht jedes Interesse daran hatte, ein leeres Grab zu verhindern. Wenn sie, wie das Gerücht es besagt, alle geschlafen hätten, woher konnten sie dann wissen, wer den Leichnam gestohlen hatte? Entweder sie haben nicht geschlafen, dann wäre es niemand gelungen, das Grab auszurauben, oder sie haben geschlafen und die Diebe wären unerkannt davongekommen. Dass die Hohenpriester selbst wohl kaum an ihr Gerücht glaubten, versteht sich von selbst. Dass sie es trotzdem propagierten, kann nur aus einer massiven Erklärungsnot heraus verstanden werden. Eine andere Erklärungsalternative wäre noch unglaubwürdiger gewesen. Und wenn sie es glaubten, dann gibt es allerdings einen zweiten noch gravierenderen Einwand gegen die Echtheit des Leichenraubes durch die Jünger.: Edward Gordon Selvyn, zitiert von Wilbur Smith, schreibt dazu: „Und falls sie es glaubten, warum wurden dann die Jünger nicht sofort verhaftet und verhört? Denn die Tat, die man ihnen hier zuschob, stellte ein ernstes Vergehen gegen die Obrigkeit dar. Weshalb zwang man sie nicht, den Leib herbeizuschaffen? Oder falls sie nicht fähig waren, ihre Unschuld zu beweisen, weshalb wurden sie dann nicht für ihr Verbrechen bestraft… Nirgends wird auch nur angedeutet, dass die Oberen der Juden es je unternahmen, ihre Beschuldigung zu erhärten.“ William Paley, der englische Theologe und Philosoph schreibt: Dr. Townshend hat meines Erachtens zu Recht bemerkt, dass die Geschichte der Wachen sich schon durch ihren Wortlaut als abgekartetes Spiel erweist. Seine Jünger sind in der Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. Männer in ihrer Situation hätten kein solches Zugeständnis ihrer Nachlässigkeit gegeben, ohne vorherige Zusicherung des Schutzes der Straflosigkeit.“ Die Tatsache, dass man eine Lügengeschichte gewählt hat, die von den Priestern wohl selbst nicht geglaubt wurde und nur vom oberflächlichen oder voreingenommenen Betrachter als zufriedenstellende Erklärung akzeptiert wurde, zeigt einmal mehr, dass man sich aufgrund des leeren Grabes in äußerster Erklärungsnot befand. Wenn man die Texte auf ihre historische Plausibilität untersuchen will, dann ist es unabdingbar zu überlegen, wie es anders als geschildert gewesen sein könnte. Jede Geschichte, die sich anschickt, historisch zu sein es aber nicht ist, ist der Ersatz für die wahre Geschichte. Nun stellt man aber fest, dass jede andere Geschichte, die denkbar wäre, zahlreiche Widersprüche verursachen würde. Das heißt die Geschichte ist so, wie sie uns in den Evangelien erzählt wird, immer noch die plausibelste und überzeugendste.
„Dieser Schwindel folgt dem Eingeständnis der Feinde des Christentums, dass das Grab leer war- ein Eingeständnis, das genügt, um zu zeigen, dass die Indizien für das leere Grab zu allgemein bekannt waren, als dass man sie leugnen konnte.“
Im Text selbst (Matth.28,15) findet sich auch ein interessanter Hinweis darauf, dass das Gerücht vom Leichenraub durch die Jünger ein allgemein verbreitetes Gerücht war, also ein Gerücht, das sich nur halten konnte, weil es eine von der überwiegenden Mehrheit der damaligen Bevölkerung gewollte Wahrheit war und man damit das Eingeständnis eines schweren Fehlers abwenden konnte. Wenn das Grab jedoch nicht leer war, wieso sollte dann das Gerücht vom Leichendiebstahl überhaupt im Umlauf sein? Welchen Sinn sollte eine Erklärung haben für etwas, das keiner Erklärung bedurfte? Offensichtlich bestand auch in der Öffentlichkeit kein Zweifel darüber, dass der Leichnam verschwunden war. Die Texte spiegeln nicht die Frage wider, ob das Grab leer war, sondern wieso es leer war? Es gibt aber noch einen weiteren spannenden Aspekt an diesem Punkt: Matthäus erwähnt die allgemeine Verbreitung des Gerüchtes eher beiläufig am Ende seiner Ausführungen. Matth.28,15: Sie nahmen das Geld und taten, wie sie angewiesen waren. Uns so ist dies zum Gerede geworden bei den Juden bis auf den heutigen Tag. Dieser Satz erweckt nicht den Eindruck, als ob er funktionalisiert worden wäre, um dadurch die Wahrheit eines vollen Grabes zu überdecken. Aber noch bemerkenswerter ist, dass Matthäus im zweiten Teil des Satzes eine Aussage trifft, deren Inhalt überprüft werden konnte bzw. angeblich allgemein bekannt war. Es ist schwer vorstellbar, dass Matthäus hier etwas behauptet, was nicht der Wahrheit entsprach. Dieses Gerücht muss es also wirklich gegeben haben und das wiederum lässt schließen, dass das Grab wirklich leer war und die Information über das leere Grab keine Erfindung war. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Evangelien historische Begebenheiten berichten. Paul Althaus sagt: „Denn die Jünger Jesu, denen er erschienen war, traten bald nach Jesu Hinrichtung in Jerusalem, an dem Orte, wo er gestorben und begraben war, auf mit der Verkündigung, dass er von Gott auferweckt sei. Diese Botschaft besagt für alle, die sie verkündeten und für alle, die sie hörten: Das Grab ist leer. Sie hätten sich keinen Tag, keine Stunde in Jerusalem halten können, wenn das Leersein des Grabes nicht als Tatsache für alle Beteiligten festgestanden hätte, wenn sie nur irgendwie fraglich gewesen wäre.“ Es gibt auch einige außerbiblische Quellen, die die Verbreitung des Gerüchtes vom Leichendiebstahl durch die Jünger nahelegen. Ein Beispiel aus dem Frühchristentum ist uns von Justin, dem Märtyrer überliefert: „In Justins Dialog (ca.130 n Chr.) mit Tryphon 108 ist die Rede von einem gewissen Galliläer Jesus, einem Verführer…; „wir haben ihn gekreuzigt, aber seine Jünger haben ihn aus der Gruft, in welche er nach der Kreuzesabnahme gelegt worden war, bei Nacht gestohlen und machen den Leuten weis, er sei von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren“ Auch Tertullian um 200 n. Christus spricht von der Verbreitung des Gerüchtes. Diese beiden Beispiele unterstreichen nochmal, dass es die gegnerische Lesart vom Leichenraub durch die Jünger tatsächlich gab und als alternative Begründung für das leere Grab im Umlauf war.
Nun müssen wir uns fragen, ob den Leichnam jemand hätte stehlen können und warum er dies tun hätte sollen?
Fangen wir mit dem ersten Teil der Frage an. Das Grab war strengstens bewacht, und zwar von einer römischen Grabwache. Hier darf man sich keinen einzelnen oder nur höchstens 2 Soldaten vorstellen. Eine römische Grabwache bestand üblicherweise aus mehreren Soldaten. 4 Soldaten standen während der Schicht, während die anderen Soldaten im Halbkreis um sie herumsaßen. Wenn es im Text heißt, dass einige von der Wache in die Stadt kamen, dann ist das ebenfalls ein Hinweis auf eine größere Anzahl von Wachen. Die bloße Vorstellung einer gewaltsamen Aktion wäre angesichts dieser Gegenwehr völlig absurd. Selbst im Falle nur weniger Soldaten wäre eine wie auch immer geartete Nacht- und Nebelaktion bei der Größe des Steins, mit dem das Grab verschlossen war, kaum vorstellbar. Der Stein blockiert nicht nur das Grab, sondern auch jegliche Theorie eines Leichendiebstahles. Darüber hinaus wäre es in diesem Fall nicht verständlich, warum die Diebe die Leinentücher, mit denen der Leichnam eingewickelt war, zurückgelassen haben. Warum sollten die Jünger den Leichnam zuerst noch auspacken, bevor sie ihn entwenden? Ein Auswickeln des Leichnams wäre auch nicht einfach gewesen, wenn man bedenkt, dass die Einbalsamierung (Myrrhenharz und Aloeholz) durchaus zu einer starken Verklebung der Tuchschichten geführt hatte. Im Johannesevangelium ist von 100 Pfund Spezereien die Rede, das entspricht in etwa 33 kg. Das einzige verbleibende Szenario wäre eine Bestechung. Dies ist allerdings, wie oben erwähnt, auch kaum denkbar, weil auf Bestechlichkeit im Dienst die Todesstrafe stand. Selbst dem einfältigsten römischen Soldaten wäre bewusst gewesen, dass ihm das Geld nichts genutzt hätte, wenn er danach zum Tod verurteilt worden wäre. Dass die Soldaten sich nach dem Matthäusevangelium später tatsächlich von den Hohenpriestern bestechen ließen, worauf ebenfalls gewöhnlich die Todesstrafe stand, stellt keinen Widerspruch dar, weil sie im Fall der Bestechung durch die Jünger im Gegensatz zur Bestechung durch die Hohenpriester keinesfalls mit mildernden Umständen rechnen hätten können. Im andern tatsächlichen Fall der Bestechung durch die Hohenpriester bestand ein gemeinsames Interesse mit dem Stadthalter Pilatus, denn der römischen Macht kam es ebenso wie der jüdischen Obrigkeit darauf an, jegliche Unruhen durch eine neue religiöse Bewegung zu unterbinden. Eine genaue Analyse des Textes und der Umstände führt uns also zu einer Bestätigung dafür, dass ein gewaltsamer oder bestochener Leichenraub durch die Jünger undenkbar ist.
Nun wollen wir noch den zweiten Teil der obigen Frage beantworten. Welches Motiv könnte es für eine Vortäuschung eines leeren Grabes gegeben haben und welche Gruppe könnte ein derartiges Motiv verfolgt haben? Die Geschichte des Leichenraubes erzählt sich leicht, vor allem, wenn man die Identität des Diebes offenlässt. Wer kommt denn aber als Dieb in Frage? Mit nichts in dieser Welt hätte sich die neue Glaubensbewegung um Jesus besser unterbinden lassen als mit dem Nachweis eines vollen Grabes. Die jüdischen Führer scheiden also als Täter aus. Auch die Römer wollten unter allen Umständen eine neue religiöse Bewegung, die sich leicht zu politischen Unruhen hätte entwickeln können, verhindern und scheiden deshalb ebenfalls als Täter aus. Auch den Gärtner hatte man schon verdächtigt, weil dieser Angst gehabt haben könnte um seinen schönen Garten, wenn das Grab zum Wallfahrtsort geworden wäre. Doch auch hier würde sich die Frage stellen, wie der Gärtner die Wachsoldaten überwinden hätte sollen. Außerdem galt auch das Durchtrennen des hoheitlichen Siegels als schweres Vergehen gegen die römische Staatsmacht. Diese Version des Leichenraubs klingt nicht überzeugend und wäre nur denkbar, wenn die Wachsoldaten eine Erfindung der Evangelien wären. In diesem Fall hätte man aber erwarten müssen, dass die Jünger der Lüge oder Falschaussagen überführt worden wären, was aber nicht geschehen ist. Ich erwähnte diese Theorie deshalb, weil sie die Verzweiflung derjenigen offenbart, die krampfhaft nach einer alternativen Erklärung suchen, ohne sich über die Plausibilität ihrer Theorie Gedanken gemacht zu haben. Es bleiben nur noch die Jünger als potentielle Grabräuber übrig. Dazu müssen wir uns die Situation der Jünger nach der Kreuzigung anschauen. Sie hatten sich zurückgezogen, weil sie völlig am Boden zerstört waren. Ihr Meister und Lehrer, von dem sie sogar fast glaubten, dass er der versprochenen Messias war, ist nun tot. Bei der Festnahme Jesu sind sie aus Angst geflohen. Alle ihre Hoffnungen sind mit der Bestattung Jesu mitbegraben worden. Auch die ersten Reaktionen der Jünger nach der Auferstehung weisen darauf hin, dass keiner mit so etwas gerechnet hätte. Sie hatten alles andere als in der Erwartung gelebt, dass hier das große Finale noch kommen würde bzw. erst noch beginnen würde. Was hätte sie also ohne Auferstehung dazu veranlassen sollen, einen Glauben wiederzubeleben, der eigentlich schon gestorben war. Was hätte sie dazu bringen sollen, eine Bewegung fortzuführen, von der sie selbst wussten, dass sie auf falschen Tatsachen beruhte. Wie sollten sie Leute zu einem Glauben motivieren wollen, an den sie selbst nicht mehr glaubten. In ihrem ganzen bisherigen Verhalten gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass die Jünger in der Lage gewesen wären, zu solchen Schauspielern und Verschwörungstheoretikern zu mutieren. Wenn uns die Jünger vielfach als einfache arglose und auch ängstliche Menschen beschrieben werden, wie sollten wir dann annehmen können, dass sie plötzlich zu Sozialrevolutionären und Glaubensvorbildern werden? Darüber hinaus müsste man sich fragen, ob nicht im Laufe der Jahre wenigstens einer der Jünger eingeknickt wäre und den Betrug zugegeben hätte. Je mehr Menschen an einem Komplott beteiligt sind, desto schwerer ist es, ihn über Jahre geheim zu halten. Hätte nicht das schlechte Gewissen irgendwann an einer Herzenstür angeklopft? Die Jünger hatten zumindest teilweise eine Familie. Trauen wir den Jüngern und ihren Verwandten und Freunden allen Ernstes das Durchhalten einer derartigen Lügengeschichte zu? Nehmen wir an, es sei ihnen zunächst gelungen, dann müssten wir uns allerdings fragen, wie es möglich war, unter dem wachsenden Druck der Führungseliten und der Todesdrohungen dichtzuhalten. Mit Ausnahme von Johannes starben alle Apostel den Märtyrertod. Für ein inszeniertes Glaubensgebäude, das auf einer Lüge aufbaut, stellt man sein Leben nicht aufs Spiel. Eine derartige Lügengeschichte wäre auch nicht mit dem übrigen Ethos, das die Jünger vertraten, vereinbar gewesen. Ich kann nicht auf der einen Seite Liebe und Hingabe an Jesus predigen und auf der anderen Seite die Menschen so hinters Licht führen. Es gibt eigentlich nur eine einzige plausible Erklärung für alle gestellten Fragen: Die Auferstehung war ein reales Ereignis und das Grab war wirklich leer. Alle berichteten Details passen am besten zur wahren Geschichte. Insofern kann man sagen, dass alle Indizien für die Authentizität der Evangelientexte und einer leiblichen Auferstehung sprechen. Die Jünger konnten es zunächst nicht fassen, aber haben dann begriffen, dass dies das größte Wunder war, das jemals ein Mensch erlebt hatte. Alle Aussagen Jesu, die sie ursprünglich nicht verstanden, fügten sich jetzt wie Puzzelteile zusammen. Die anfängliche Skepsis ist einer tiefen Gewissheit gewichen: Ja, diesem Jesus, der uns eigentlich schon alles vorher erklärt hat, kann ich nun ohne Vorbehalt vertrauen. Die Freude, die die Jünger über dieses Ereignis hatten, kann man in ihren Berichten, soweit sie uns bekannt sind, regelrecht spüren. Nichts aber auch gar nichts konnte sie jetzt noch davon abhalten, diese Botschaft mutig zu verbreiten. Was hätten die Jünger anders tun sollen als genau das, was sie getan haben? Sie setzten ihr ganzes Leben dafür ein, um diese Nachricht von der Auferstehung und den damit verbundenen Heilstatschen unter das Volk in der ganzen Welt zu bringen. Die Verwandlung der Jünger nach der Auferstehung ist offensichtlich. Nun gab es kein Halten mehr. Es kann nicht nur eine langsame Gewöhnung an die Tatsache des Todes Jesu gewesen sein, es musste etwas Großes geschehen sein, das man genauso wie die Verwandlung der Jünger menschlich nicht erklären kann. Eine derartige gewaltige Verwandlung der Jünger setzt ein mindestens genauso gewaltiges Ereignis voraus. Ein unnatürliches Verhalten der Jünger braucht eine unnatürliche Erklärung. Die Kraft, die von der Tatsache der leiblichen Auferstehung ausging, hat nicht nur wenige Menschenherzen geprägt, sondern die ganze Weltgeschichte bis heute verändert. Wenn die Auferstehung keine historische Tatsache wäre, müsste man den Jüngern entweder die Erfindung der größten Lügengeschichte der Welt zuschreiben oder eine kollektive wahnhafte Störung, mit der sie nicht weniger erfüllt gelebt hätten als viele Millionen Menschen, die diesen Wahn geglaubt haben.
George Matheson schreibt (aus Bibel im Test S338:) „Man bedenke den Charakter der Zeugen: Männer und Frauen, die der Welt die höchste ethische Lehre gaben, die sie je kannte, und die diese Lehre, wie selbst ihre Feinde bezeugen, mit ihrem Leben demonstrierten. „Man bedenke die psychologische Absurdität, wenn man sich eine kleine Gruppe geschlagener Feiglinge vorstellt, die an einem Tag in einem Obergemach kauert und sich ein paar Tage später in eine Schar verwandelt, die keine Verfolgung zum Schweigen bringen kann-, um dann zu versuchen, diese dramatische Veränderung auf nichts Überzeugenderes zurückzuführen als eine elende Erfindung, die sie der Welt aufschwätzen wollten. Das wäre einfach sinnlos.“
Pinchas Lapide schreibt: (aus: Ist Jesus auferstanden von Dr. Jürgen Spies): „Wenn diese aufgescheuchte, verängstigte Apostelschar, die eben dabei war, alles wegzuwerfen, um in heller Verzweiflung nach Galiläa zu flüchten, wenn diese Bauern, Hirten und Fischer, die ihren Meister verrieten, verleugneten und dann kläglich versagten, plötzlich über Nacht sich in eine selbstsichere und heilsbewusste, überzeugte Missionsgesellschaft verwandeln konnte, die viel erfolgreicher nach Ostern als vor Ostern wirkte, so genügt keine Vision oder Halluzination, um solch einen revolutionären Umschlag zu erklären. Für eine Sekte, eine Schule oder einen Orden hätte vielleicht eine Einzelvision genügt- nicht aber für eine Weltreligion…“.
Die Jünger waren nicht angetreten, um mit menschlichem Kalkül eine Weltreligion zu gründen, in deren Fahrwasser sich viele Menschen auch 2000 Jahre später noch bewegen würden, sie hatten keinen geheimen Plan oder eine Strategie entwickelt, wie sie Menschen von ihren Ideen überzeugen könnten wie das heute vielleicht manche Sekten versuchen. Sie verkündeten einfach, was sie erlebt hatten und lösten damit die größte soziokulturelle und geistig-philosophische Bewegung aus, die die Welt bis heute erlebt hat und ohne die die Welt vielleicht schon längst an ihrer eigenen Verzweiflung und Sinnlosigkeit zugrundegegangen wäre.
Dr. Jürgen Spies ( aus: Ist Jesus auferstanden? Von Jürgen Spies) „Zu den erklärungsbedürftigen Fakten gehört in besonderer Weise die Tatsache, dass die Jünger, die ja aus dem traditionellen Judentum kamen, innerhalb ganz weniger Jahre zentrale Überlieferungen ihres Glaubens über Bord warfen und erstaunliche Neuerungen vornahmen: die gottesdienstlichen Treffen am Sonntag zusätzlich zum Sabbat und bald sogar ausschließlich am Sonntag, als dem Tag der Auferstehung von Jesus“
Die Auferstehung bei Paulus:
Nun zu Paulus, für den die Auferstehung genauso ein historisches Ereignis war, wie für die Augenzeugen selber. Paulus widmet ein ganzes Kapitel der Frage nach der Auferstehung und deren Bedeutung. 1Kor.15: „…und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln…. Paulus beruft sich in seinen Ausführungen auf Augenzeugen. Wenn ich wissen will, ob ein berichtetes Ereignis tatsächlich geschehen ist, gibt es nur 2 Möglichkeiten, dies herauszufinden. Entweder es gibt Spuren, die das Ereignis hinterlassen hat, oder es gibt Augenzeugen, die ich befragen kann. Das letztgenannte hat das eindeutig größere Gewicht. Das Gewicht erhält dieses Argument im vorliegenden Fall insbesondere durch die Tatsache, dass das vom Schreiber geschilderte Ereignis nicht so weit in der Vergangenheit liegt, dass es keine Augenzeugen mehr gäbe. Paulus zählt zahlreiche Zeugen auf, von denen die meisten noch lebten. Gleichwohl sind es auch nicht irgendwelche namenlose Augenzeugen. Paulus nennt sie zum Teil mit Namen. Jeder, der wollte, könnte sie also befragen und sich vergewissern, ob es stimmte. Paulus greift diesen Gedanken auf, indem er sagt, dass er zusammen mit seinen Mitstreitern im Falle der Unwahrheit als falsche Zeugen Gottes befunden werden würden. Er stellt seine Meinung zur öffentlichen Disposition und erklärt damit, dass er sich vor dem obersten Richter, nämlich Gott, dafür verantworten muss. Paulus will zeigen, dass er sich der Tragweite seiner Botschaft durchaus bewusst ist. Wenn es also einen frommen Juden gäbe, der ihm eine Falschaussage nachweisen könnte, dann wäre er auch bereit, die Strafe dafür zu tragen. Das ist die höchste Form der Rechenschaft, die man für eine Aussage übernehmen konnte. Das heißt natürlich auch, dass Paulus sich seiner Sache absolut sicher war. Eine Behauptung, die die Vorstellungskraft eines normalen Menschen bei weitem übersteigt und denjenigen, der sie ausspricht, sofort in die Nähe eines Geisteskranken rückt, stellt man nicht einfach so mal schnell in den Raum. Jesus ist auferstanden. Sie sind ihm leibhaftig begegnet. Das stand für die frühen Christen und für Paulus fest, wie ein Fels in der Brandung. Anders könnte man das überzeugte und verwandelte Auftreten von Paulus nicht erklären.
John Warwick Montgomery kommentiert: „Beachten Sie, dass die Jünger die Auferstehung als Augenzeugen verkündeten, und zwar noch zu Lebzeiten anderer, die in Berührung mit den Ereignissen standen, von denen sie sprachen. Im Jahre 56 n.Chr. schrieb Paulus, dass über 500 Menschen den auferstandenen Jesus gesehen hatten und dass die meisten von ihnen noch lebten. Es übersteigt die Grenzen der Glaubhaftigkeit, dass die Urchristen ein solches Märchen erfunden haben sollten, um es dann unter denen zu verkündigen, die es ganz einfach durch die Herbeischaffung des Leichnams Jesu hätten widerlegen können.“ Bernhard Ramm schreibt: „Hätte es keine Auferstehung gegeben, so muss der radikale Kritiker zugeben, dass Paulus den Aposteln eine Erscheinung Christi, die ihm widerfahren sein sollte, vorgetäuscht hätte, wohingegen sie ihn wiederum mit den ihnen widerfahrenen Erscheinungen Christi getäuscht hätten. Wie schwierig ist es doch, die Aussage der Briefe in diesem Punkt zu widerlegen, wo sie einen so starken Nachweis ihrer Echtheit enthalten“.
Manchmal wird von liberalen Theologen angeführt, dass Paulus nie vom leeren Grab spreche. Man will dies als Hinweis verstanden wissen, dass Paulus selbst noch nicht an eine leibliche Auferstehung geglaubt oder wenigstens auf sie bestanden hat. Nach historisch-kritischer Lesart ist der Korintherbrief von der Datierung her älter als die Evangelien. Die Evangelien seien wesentlich später geschrieben worden. Man will damit sagen, dass die Lehre einer leiblichen Auferstehung erst eine spätere Entwicklung im Rahmen der nachösterlichen Gemeindebildung war. Die Geschichten um das leere Grab seien Erfindungen oder legendenhafte Vorstellungen der nachösterlichen Gemeinde, wie man sich die Auferstehung erklärt habe. Möglicherweise waren sie auch eine Reaktion auf den Vorwurf, es habe sich nur um fromme Einbildungen gehandelt. Dagegen sind mehrere Einwände zu erheben. 1.) Die Evangelien sind zum Teil von Augenzeugen oder den Augenzeugen nahestehenden Autoren geschrieben worden. Das Matthäusevangelium ist vermutlich vom Zöllner Levi bzw. Matthäus (Mk.2,14; Mt.9,9; Mt.10,3), der nach der Berufung durch Jesus, zum Zwölferkreis gehörte, geschrieben worden, Markus war nach 1.Petrus.5,13 ein Mitarbeiter von Petrus und zeitweise auch von Paulus (Apg.13,5, Apg.15,37) der das Evangelium vermutlich in Rom in der Nähe von Petrus geschrieben hat. Lukas war ein Mitarbeiter von Paulus und Johannes war ein Jünger Jesu. Man müsste diesen Evangelisten einen schweren Betrugsvorwurf machen, wenn sie die Auferstehungsgeschichten erfunden hätten. Das Argument, die Autoren seien vom eigentlichen Geschehen so weit entfernt, dass hier die Legendenbildung weit fortgeschritten war, ist aus 2 Gründen nicht stichhaltig: Zum einen lebten zur Zeit der Abfassung der Evangelien, egal ob sie vor 70 oder auch nach 70 n.Chr. geschrieben wurden, sicherlich noch einige der Augenzeugen (siehe Lukas-Prolog), zum andern schrieben die Evangelien nicht Menschen der 2. oder 3. Generation, sondern teilweise die Augenzeugen selbst. Darüber hinaus, waren vermutlich viele Teile der Evangelien vorher schon im Umlauf oder wurden entgegen der historisch-kritischen Annahme schon vor 70 geschrieben, so dass die zeitliche Nähe zu den Geschehnissen ein weiteres Indiz gegen die Annahme von Legendenbildungen ist. (Siehe auch Abschnitt über die Historizität im gleichen Kapitel9 2.Nach all dem, was bisher geschrieben worden ist, gibt es eine weitaus plausiblere Erklärung für das Fehlen der Rede vom leeren Grab: Alle biblischen Textbefunde, das Verhalten der antichristlichen Parteien und hier vor allem der fehlende Widerlegungsversuch des leeren Grabes und die Plausibilität der Zusammenhänge in den Evangelien einschließlich der Diebstahltheorie sprechen dafür, dass das leere Grab sowohl für die Befürworter als auch für die Gegner des Auferstehungsglaubens eine allgemein anerkannte Tatsache war. Wenn es eine bekannte Tatsache war, die nicht widerlegt werden konnte, dann gab es auch für Paulus keinen Anlass mehr, das leere Grab zu betonen. Das leere Grab war einfach vorausgesetzt. Das ist eine viel einfachere und damit wesentlich plausiblere Erklärung für die fehlende wörtliche Erwähnung des leeren Grabes. 3.) Auch Petrus erwähnt das leere Grab nicht in seiner ersten großen Pfingstpredigt oder in seinen Briefen, obwohl Petrus die direkte Quelle für das Markusevangelium ist, in dem das leere Grab beschrieben ist. Stattdessen zitiert Petrus einen Vers aus Ps.16,27: Denn du wirst mich nicht dem Tod überlassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe. Will er damit nicht auch sagen, dass Jesu Leichnam aus dem Grab wieder auferstanden ist? Ist es hier nicht viel wahrscheinlicher, dass auch Petrus aufgrund des allgemeinen Vorwissens das leere Grab nicht erwähnen musste. Paulus zitiert in Apg. 13,37 übrigens den gleichen Vers aus Psalm 16, sodass man davon ausgehen kann, dass das Auferstehungsverständnis von Paulus und Petrus identisch war. Außerdem findet man bei Petrus eine überaus interessante Aussage in Apg. 10,40f: „Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten.“ Das ist nichts anderes als ein frühes Zeugnis von der leiblichen Auferstehung und impliziert ein leeres Grab. Genauso wie Petrus das leere Grab nicht explizit erwähnte, es aber dennoch eindeutig voraussetzte, ist es auch bei Paulus naheliegend, dass er vom leeren Grab stillschweigend ausging. Bedenkt man, dass bei Lukas ein Großteil der Fäden der Überlieferung zusammenlaufen und er derjenige war, der die Predigten von Petrus und Paulus niedergeschrieben hat während er beide auf ihren Reisen begleitete und deshalb auch deren Auferstehungsverständnis kannte und darüber hinaus auch den Auferstehungsbericht im Lukasevangelium geschrieben hat, so erscheint es umso unwahrscheinlicher, dass er verschiedene Sichtweisen der Auferstehung hätte einfach stehen lassen und nicht in ein harmonisches Gesamtkonzept gebracht hätte. Das ist nach meiner Einschätzung ein weiterer Hinweis darauf, dass wir es bei den Zeugnissen der Auferstehung nicht mit unterschiedlichen Verstehensweisen zu tun haben. Die These, den paulinischen Texten läge ein anderes Auferstehungsverständnis zugrunde als den Evangelien, weil das leere Grab nicht erwähnt werde, lässt sich so nicht halten.
Die Frage, die alle Menschen beschäftigte, war nicht, ob das Grab leer war, sondern wieso es leer war. Petrus, Paulus und alle anderen Apostel hatte eine Antwort darauf, die es bekanntzugeben bedurfte. Nicht das leere Grab stand im Vordergrund, sondern die Tatsache, dass Jesus tatsächlich auferstanden war vom Grab. Man sollte sich an der Stelle auch bewusst machen, dass es diese Diskussion, dass Jesus zwar auferstanden war aber Jesu Leib trotzdem im Grab verweste, wie sie in der liberalen Theologie geführt wird, damals gar nicht gab. Die Möglichkeit einer rein geistig religiösen Auferstehung im Sinne einer inneren Jesuserscheinung oder einer neuen Erkenntnis existierte für die Apostel nicht. Woran wollte man diese These festmachen? Für Paulus gab es nur ein Entweder- Oder. Entweder ist Jesus leibhaftig auferstanden oder er ist im Grab geblieben. Ein Zwischendrin gab es für ihn nicht. Sein betonendes Eingehen auf die Augenzeugen macht unzweideutig klar, dass für Paulus eine leibliche Auferstehung Realität war. Wie wäre es sonst möglich, dass sich Jesus gleichzeitig 500 Zeugen zeigte? Wenn man behaupten würde, dass wir im Gegensatz zu Paulus heute wissen, dass es eine kollektive Halluzination geben kann, dann darf man aber nicht den Fehler machen, die fehlende Erwähnung des leeren Grabes als Hinweis auf ein rein innerliches Auferstehungsverständnis bei Paulus zu werten. Andernfalls müsste man Paulus unterstellen, dass er in seinen Ausführungen ebenfalls über ein solches Wissen verfügte und seinem Auferstehungsverständnis zugrunde legte. Das ist aber nach meiner Meinung völlig abwegig, da es dafür überhaupt keine Anhaltspunkte gibt. Im Gegenteil, wir können an Paulus´ Ausführungen ab Vers 42 erkennen, dass ihm die leibliche Dimension des Auferstehungsleibes wichtig war. Hierzu muss man allerdings wissen, dass im jüdischen Denken Leib und Seele eine untrennbare Einheit bildeten im Gegensatz zum griechischen Denken, in dem die Seele nach dem Tod vom verwesenden Leib getrennt werde. Für den Juden, Paulus, war Auferstehung nur als leibliche Auferstehung denkbar. Um dies nochmal sehr deutlich zu machen, sei die Nachricht in Matth.27 erwähnt, dass „die Juden“ offensichtlich ein Interesse daran hatten, zu verhindern, dass der Leib Jesu aus dem Grab entwendet wurde. Für diesen Fall fürchteten sie Spekulationen und Gerüchte, die dem Auferstehungsglauben enormen Vorschub leisten würden. Nun zu den Ausführungen von Paulus zur leiblichen Auferstehung: So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. 43 Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. 44 Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. 45 Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, »wurde zu einem lebendigen Wesen« (1. Mose 2,7), und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht. 46 Aber nicht der geistliche Leib ist der erste, sondern der natürliche; danach der geistliche. 47 Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der zweite Mensch ist vom Himmel. 48 Wie der irdische ist, so sind auch die irdischen; und wie der himmlische ist, so sind auch die himmlischen. 49 Und wie wir getragen haben das Bild des irdischen, so werden wir auch tragen das Bild des himmlischen. 50 Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. An Paulus` Ausführungen über das Wesen der Auferstehung wird deutlich, dass er keineswegs nur an eine mentale Auferstehung gedacht hatte, sonst hätte er den geistlichen Leib nicht so in den Vordergrund gestellt. Gerade die Betonung der Leiblichkeit spiegelt ein Auferstehungsverständnis wider, das dem griechischen Denken widersprach. Man könnte auch fragen: Worin besteht denn eigentlich der Unterschied zwischen dem griechischen Denken und dem liberalen Auferstehungsverständnis eines rein geistigen Weiterlebens? Entweder es gibt keinen Unterschied, oder das liberale Verständnis liegt noch weiter von der paulinischen Sicht entfernt als das griechische. Wie dem auch sei, die Ablehnung der leiblichen Dimension dürfte keinesfalls mit der paulinischen Lehre der Auferstehung in Einklang zu bringen sein. Wir können daraus folgern, dass es Paulus um eine leibliche, aber eben um eine geistlich-leibliche Auferstehung ging. Wenn er schreibt, dass Fleisch und Blut das Himmelreich nicht ererben können, dann will er damit also in Abgrenzung zum griechischen Denken nicht sagen, dass die Auferstandenen nur noch als Seelenwesen weiterleben werden, sondern dass der Leib ebenso wie der Geist verwandelt werden wird. In Röm. 8,11 heißt es: Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt. Paulus spricht hier vom sterblichen Leib, der lebendig werden wird. Dies ist absolut kongruent zu den Evangelien und zum leeren Grab. Der Auferstandene war weder ein reines Geistwesen noch ein ausschließlich menschlicher Körper. Er war beides gleichzeitig. So konnte Jesus in einen verschlossenen Raum eintreten und gleichzeitig auf die sichtbaren Nägelmale an seinen Händen verweisen. Er konnte in einen Moment noch mit den Emmaus- Jüngern essen und reden, um dann plötzlich unsichtbar verschwunden zu sein. Jesus hatte einen neuen, übernatürlichen Leib, der in seinem Wesen weit über unsere menschlich physikalische Vorstellungskraft hinaus geht, der aber trotzdem noch die Spuren der Kreuzigung an sich trägt. Es besteht hier die gleiche Spannung im Denken wie bei der Doppelnatur Jesu. Im jüdischen Denken sind Seele und Leib untrennbar, deshalb ist es Paulus im Korintherbrief wichtig zu zeigen, dass nicht nur die Seele als geistiger Teil der Leib-Seele Einheit aufersteht, nachdem sie vollständig vom verwesenden Leib getrennt wurde, sondern auch der Leib eine Verwandlung erfährt und aufersteht als geistlicher Leib. Das impliziert natürlich ein leeres Grab.
Die HKT geht in ihrem Auferstehungsverständnis davon aus, dass übernatürliche Wunder nicht möglich sind bzw. dass Gott nicht übernatürlich handelt. Bei Paulus würde man niemals auf den Gedanken kommen, dass er ein derartiges Wunder- oder Auferstehungsverständnis teilt. Man kann Paulus nicht gleichzeitig einerseits zum Kronzeugen eines rein geistigen Auferstehungsverständnisses und andererseits zum falschen Zeugen von Wundern machen. Die Auferstehung war für Paulus aufgrund der zahlreichen Zeugen ein historisches Ereignis, das ein leeres Grab selbstverständlich voraussetzte. Er musste es deshalb seinen Lesern gegenüber nicht extra erwähnen, da es allgemein bekannt war. Vielmehr ist das Nicht-Erwähnen der Tatsache des leeren Grabes ein weiteres Indiz dafür, dass es allgemein akzeptiert war. Viel wichtiger war Paulus zu beweisen, dass die Ursache für das leere Grab die Auferstehung Jesu von den Toten war, und dass der christliche Glaube ohne dieses Ereignis wertlos wäre 1.Kor.15,13: „ Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; dann sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“ J.N.D. Anderson, Rechtsanwalt und Professor für orientalisches Recht an der Universität London, sagt dazu: „Haben sie beachtet, dass sämtliche Hinweise auf das leere Grab in den Evangelien vorkommen, die ja geschrieben wurden, um der christlichen Gemeinde die Tatsachen zu liefern, die sie wissen wollte? In der öffentlichen Predigt an Ungläubige dagegen, wie sie die Apostelgeschichte berichtet, haben wir eine starke Betonung der Tatsache der Auferstehung, aber keinen einzigen Hinweis auf das leere Grab. Warum wohl? Für mich gibt es nur eine Antwort: Es nützte nichts über das leere Grab zu debattieren. Jeder, ob Freund oder Feind, wusste, dass es leer war. Die einzigen Fragen, die es zu erörtern lohnte, waren, warum es leer war und was das Leersein bewies…“ „Das leere Grab steht wie ein wahrer Fels da; es ist das Kernelement unter den Fakten, die die Auferstehung beweisen. Die manchmal zu hörende Annahme, dass es überhaupt nicht leer gewesen sei, scheint mir lächerlich zu sein. Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass die Apostel von Anfang an viele Bekehrungen in Jerusalem bewirkten, so feindselig die Stadt auch war, indem sie die frohe Nachricht verkündeten, dass Christus aus dem Grabe auferstanden war- und das taten sie in der Nähe dieses Grabes. Jeder Zuhörer hätte das Grab besuchen und zwischen dem Mittagessen und dem, was unserem Nachmittagskaffee entsprochen hätte, zurücksein können. Ist es dann vorstellbar, dass die Apostel diesen Erfolg gehabt hätten, wenn der Leib dessen, den sie als auferstandenen Herrn verkündigten, die ganze Zeit über in Josephs Grab verweste? Hätten sich eine große Anzahl Priester und viele hartgesottene Pharisäer von der Verkündigung einer Auferstehung beeindrucken lassen, die überhaupt keine Auferstehung war, sondern bloß eine Botschaft geistlichen Überlebens, gekleidet in die irreführenden Worte eines buchstäblichen Auferstehens aus dem Grabe?“ (Aus: Die Bibel im Test von Josh Mc. Dowell; S 321)
William Lane Craig:
„Wenn also viele Theologen versuchen, den „massiven Realismus“ der Evangelien gegen eine angebliche paulinische Lehre von einem spirituellen Auferstehungsleib auszuspielen, dann beruht ein solches Denken auf einem fundamentalen und drastischen Missverständnis der Lehre des Paulus. Der Verdacht liegt mehr als nahe, dass der wirkliche Grund für die wissenschaftliche Skepsis gegenüber der Historizität der Jesuserscheinungen in den Evangelien der ist, dass (wie Bultmann ganz offen gesagt hat) diese Historizität für den „modernen Menschen“ anstößig ist, und dass Paulus hier vor den Karren der Kritiker gespannt worden ist, die nachträgliche Begründungen für ein Ergebnis suchen, das durch a priori getroffene philosophische Grundannahmen bereits festliegt. Doch für dergleichen gibt Paulus sich nicht her; eine sorgfältige Exegese seiner Lehren bestätigt voll und ganz einen körperlichen Auferstehungsleib. Und genauso scheinen die Christen des 1. Jahrhunderts Paulus auch verstanden zu haben, denn die Briefe des Clemens und Ignatius belegen eine weite Verbreitung der Lehre von der körperlichen Auferstehung in den Gemeinden des 1. Jahrhunderts – darunter die Gemeinden, in denen Paulus selber gelehrt hatte. Dieser Befund zieht den Stimmen, die die Historizität der Auferstehungsberichte in den Evangelien wegen ihres Physikalismus bestreiten, den Boden unter den Füßen weg.“
Ich halte es für äußerst problematisch, die biblischen Texte an unsere zweifelhaften historisch-kritischen Erkenntnisse anzupassen. Wer also behauptet, dass die Auferstehung kein historisches Ereignis ist, verlässt den biblischen Boden. Die Bibel selbst gibt uns dafür keinen Anlass. Ebenso die Meinung, dass es nicht darauf ankomme, würde ich angesichts des 15.Kapitels des 1. Korintherbriefes als sehr fragwürdig bezeichnen. Am Ende werde ich darauf nochmal zurückkommen.
Die Grabtücher?
Am ersten Tag der Woche kommt Maria Magdalena früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus, und sie kamen zum Grab. Es liefen aber die beiden miteinander, und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam als Erster zum Grab, schaut hinein und sieht die Leinentücher liegen; er ging aber nicht hinein. Da kam Simon Petrus ihm nach und ging hinein in das Grab und sieht die Leinentücher liegen, und das Schweißtuch, das auf Jesu Haupt gelegen hatte, nicht bei den Leinentüchern, sondern daneben, zusammengewickelt an einem besonderen Ort. Da ging auch der andere Jünger hinein, der als Erster zum Grab gekommen war, und sah und glaubte. Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste. Da gingen die Jünger wieder zu den anderen zurück.
Die Frage, die sich beim Lesen dieses Textes erhebt, ist, warum hier Johannes so viele Details berichtet. Auf den ersten Blick bekommt man den Eindruck, es sei etwas umständlich, wie er sein Verhalten, dann das von Petrus und dann wieder von sich selbst berichtet. Und dann noch die Leichentücher. Sie liegen offensichtlich nicht einfach wild durcheinander wie sie bei einem Diebstahl gelegen hätten, sondern lagen nach Funktion geordnet. Das Schweißtuch lag von den übrigen Leinentüchern getrennt an einem besonderen Ort. Wieso werden uns hier diese Details geschildert. Wollte hier Johannes demonstrieren, dass Jesu Leichnam nicht gestohlen sein konnte, sondern entwichen ist. Warum sagt er uns, dass ihm bei der Untersuchung der Grabtücher das Glaubenslicht aufgegangen ist. Entweder es stimmte, was hier berichtet wird, und Jesus ist übernatürlich aus den Grabtüchern entwichen, oder Johannes will uns hier hinters Licht führen. Den historischen Wahrheitsgehalt können wir anhand des Textes und der Beschreibung der Begebenheit prüfen. Wenn ich als Arzt von der Polizei zu einem Toten, der in seiner Wohnung tot aufgefunden wurde, gerufen werde, dann gehe ich typischerweise mit einer geschärften Wahrnehmung dort hin. Weil alles darauf ankommt, welche Indizien für einen nicht natürlichen Tod sprechen könnten, werde ich meine Aufmerksamkeit auf die höchste Stufe der Beobachtung stellen. Genau den Eindruck macht auch der vorliegende Text. Petrus und Johannes erhalten die Nachricht, dass Jesu Grab leer sei. Das ist eine Nachricht, die ebenso wahnwitzig wie unglaublich ist. Nun gehen sie mit der Einstellung zum Grab, stimmt das überhaupt, und was könnte da passiert sein? Sie werden jedes Detail, das ihnen vor dem Grab und im Grab begegnet, wahrnehmen und analysieren. Und sie werden es nicht mehr vergessen, was sich unter dieser höchsten Alarmbereitschaft in ihr Gedächtnis eingräbt. Der Text macht den Eindruck eines authentischen Augenzeugenberichtes. Die Details über die scheinbare oder tatsächliche unwichtige Reihenfolge der Begehung des Grabes (Johannes schaut nur hinein und lässt dann Petrus den Vortritt, um dann später selbst hineinzugehen) deuten auf einen historischen Tatsachenbericht und keinesfalls auf eine konstruierte Darstellung hin. Nun können wir auch die Beschreibung der Grabtücher historisch ernst nehmen. Die Jünger machten sich natürlich auch Gedanken, was da passiert sein könnte und zunächst haben sie vermutlich auch an einen Leichenraub gedacht, doch an der Anordnung der Grabtücher können sie erkennen, dass hier nichts hinweist auf einen Diebstahl. Jesus musste aus den Grabtüchern ohne menschliches Eingreifen entwichen sein. Jesus ist auferstanden. Professor E.H.Day sagt über den Bericht des Johannes: Er trägt durchaus das Merkmal der persönlichen Note, er enthält alle Zeichen der Aussagen nicht nur eines Augenzeugen, sondern auch eines sorgfältigen Beobachters… Das Laufen der Jünger, die Reihenfolge ihrer Ankunft beim Grab und ihr Hineingehen; die Tatsache, dass Johannes sich zuerst bückte und durch den niedrigen Eingang die Leinentücher sehen konnte, während Petrus als der Mutigere, als erster hineinging…“
John Stott: Der Bericht von diesem Ereignis trägt unverwechselbar die Spuren der Augenzeugenschaft. Der Evangelist schreibt, was er selbst erlebt hat…..„Es ist also nicht ,wie häufig geschieht, an die Ordnung und Sorgfalt zu denken, mit der Jesus oder ein anderer die Grabstätte aufgeräumt habe, sondern die Tücher lagen so, wie sie nur nach Jesu Auferstehung liegen konnten…“
Scheintod-Theorie
Auf diese Theorie möchte ich hier nicht weiter eingehen, weil sie vielfach widerlegt ist. Man findet hier zahlreiche Veröffentlichungen dazu.
Halluzinationstheorie
Auf diese Theorie möchte ich doch etwas genauer eingehen, weil sie immer wieder von verschiedenen Autoren und nicht zuletzt auch von liberalen Theologen kolportiert wird. Einer der prominentesten modernen Vertreter dieser Theorie und damit auch einer der schärfsten Kritiker der Historizität der Auferstehung ist Gerd Lüdemann, ein deutscher Theologieprofessor. Letztlich tendiert auch das Auferstehungsverständnis der beiden obengenannten Auferstehungskritiker von Worthaus (Prof. Breuer und Prof. Schreiber) in diese Richtung, auch wenn es nicht so klar in ihren Beiträgen zum Ausdruck kommt. Eine Halluzination ist eine im Gehirn des Betreffenden sich abspielende Sinneswahrnehmung. Es ist die Wahrnehmung eines Ereignisses oder einer Person, die keine Entsprechung in der äußeren Wirklichkeit hat. Das was gesehen oder erlebt wird, vollzieht sich nur auf geistiger Ebene und ist für einen anderen in der Regel nicht sichtbar. Nach dieser Theorie hatten die Jünger Halluzinationen, als sie Jesus nach der Auferstehung begegneten. Jesus sei ihnen nicht physisch begegnet, in Wirklichkeit sei sein Leichnam im Grab verwest. Die Beschreibungen der Leiblichkeit des Auferstandenen seien spätere Ausschmückungen. Man bringt diese Art von Wahrnehmung gerne in Verbindung mit Gotteserscheinungen (Theophanien) im Alten Testament oder auch mit modernen Heiligenerscheinungen oder auch Totenerscheinungen. Wichtig dabei ist, dass die Erscheinung nicht eine übernatürliche Wirkung Gottes ist, sondern im Gehirn des Menschen aus seinen Gedanken heraus entsteht. Teilweise wird diese Art der Gottesbegegnung auch als Vision bezeichnet. Die Halluzinationshypothese setzt eine besondere psychologische Ausgangslage voraus. Gerd Lüdemann ist der Meinung: Im Fall Petrus sei das sein zu verarbeitendes Trauma der dreimaligen Verleugnung gewesen. Um seine Gewissensbisse zu verarbeiten, habe Petrus eine Vision von Jesus projiziert, die ihn zum Glauben führte, Jesus sei von den Toten auferstanden. Dieser Glaube, den er mit der Vergebungsbereitschaft Jesu verband, habe eine derart innere Befreiung und Kraft entwickelt, dass die Auferstehung nicht nur für ihn selbst zur unumstößlichen Realität wurde, sondern auch alle anderen Jünger ansteckte. Auch die anderen Jünger hätten dann in der Folgezeit Halluzinationen des Auferstandenen erlebt. Auf kritische Fragen der Gegner nach dem Verbleib des Leichnams wusste man bald zu berichten, dass die Frauen das Grab leer vorgefunden hätten. Auch Saulus unterstellt Gerd Lüdemann einen inneren Konflikt, in dem er einerseits die Christen brutal verfolgte, aber andererseits eine wachsende innere Zuneigung zu dieser christlichen Religion verspürte. Vor Damaskus habe sich dieser innere Kampf in einer Jesusvision entladen, woraufhin er sich dann zu Jesus bekehrte.
Nun was ist davon zu halten? Abgesehen davon, dass das Neue Testament einer derartigen Vorstellung ausdrücklich widerspricht, indem sie die körperlich- natürliche Dimension Jesu nach der Auferstehung extra betont, sprechen verschiedene medizinisch wissenschaftliche Gesichtspunkte in Verbindung mit den biblischen Texten gegen ein derartiges Auferstehungsverständnis.
Die größte Schwäche dieser Hypothese ist ihr eingeschränkter Erklärungsbereich. Die Hypothese erklärt zwar die Erscheinungen des Auferstandenen, nicht aber die Tatsache des leeren Grabes. Wie wir auf den ersten Seiten dieses Kapitels gesehen haben, kann man die Historizität des leeren Grabes sehr wahrscheinlich machen. Will man nicht auch bestreiten, dass das Grab, in dem Jesus beerdigt wurde, bekannt war- auch das lässt sich gut aus den Berichten herleiten-, dann ist das leere Grab eine Tatsache, an der man nicht vorbeikommt, wenn man nach alternativen Erklärungsversuchen für den Auferstehungsglauben sucht. Da die Vertreter der Halluzinationstheorie ein volles Grab voraussetzen, bräuchten sie eine zweite Hilfshypothese zur Erklärung des historischen Befundes, der für ein leeres Grab spricht. Nach allen bisherigen Ausführungen ist es jedoch äußerst schwer, die fehlenden Widerlegungsversuche des leeren Grabes historisch zu erklären.
Eine zweite große Schwäche der Halluzinationshypothese ist ihre mangelnde Erklärungskraft. Die Halluzinationstheorie bietet keine Erklärung für die große Diversität (Verschiedenartigkeit) der Begegnungen. Die Begegnungen erfolgten zu verschiedenen Zeitpunkten, mit verschiedenen Personen und ganzen Gruppen von Personen, an verschiedenen Orten und unter sehr verschiedenen Umständen. Es ist unwahrscheinlich, dass der gleiche Inhalt der Halluzinationen (Jesus als Auferstandener) unter solch unterschiedlichen Umständen bei so vielen verschiedenen Personen zustande kommt. In den Fällen in denen kollektive Halluzinationen historisch beschrieben sind (Fatima), fanden diese zum gleichen Zeitpunkt und am gleichen Ort statt. Thomas J.Thornburn: „Es ist absolut unvorstellbar, dass… 500 Personen von durchschnittlich gesundem Verstand und Temperament in unterschiedlicher Anzahl, zu den verschiedensten Zeiten und in verschiedenen Situationen alle möglichen Arten von Sinneseindrücken haben- visuell, auditiv und taktil- und dass alle diese mannigfaltigen Erfahrungen gänzlich auf subjektiver Halluzination beruhen. Eine solche Theorie würde sofort als lächerlich ungenügende Erklärung verworfen, wenn man sie auf andere als „übernatürliche“ Ereignisse in der Geschichte anwenden würde.
Ein weiterer Aspekt scheint die Erklärungskraft zu schwächen: Subjektive Halluzinationen bzw. Visionen haben kein morphologisches (gegenständlich greifbares) Korrelat. Sie sind Projektionen des eigenen Gehirns des Betroffenen. Hätten Petrus und Paulus eine Vision eines lebenden Jesus gehabt, dann hätten sie diesen eher in das Paradies projiziert, auf das die Juden ihre Wünsche nach dem Tod richteten. Die Vorstellung von einem Jesus, der nach seinem Tod in den Himmel aufgenommen worden wäre und von dort den Jüngern erschienen wäre, wäre dem jüdischen Denken nähergestanden, als ein aus dem Grab auferstandener Jesus. William Lane Craig schreibt dazu: „Die für unsere Ohren so vertraute Schlussfolgerung „Er ist auferstanden“ war für einen Juden des 1. Jahrhunderts gänzlich undenkbar. Im damaligen jüdischen Denken gab es für das, was Petrus angeblich erlebt hatte, bereits eine andere, perfekt passende Schublade: Jesus war in den Himmel aufgenommen worden. Doch eine Himmelfahrt ist etwas völlig anderes als eine Auferstehung von den Toten. Aus nachtodlichen Erscheinungen Jesu den Schluss zu ziehen, dass er auferstanden war, lief, wie wir gesehen haben, dem jüdischen Denken…..zuwider, während eine Himmelfahrt die naheliegende Deutung gewesen wäre.
Ist denn die obengenannte Hypothese über die Gewissensbisse von Petrus nach der dreimaligen Verleugnung und über die wachsende innere Ambivalenz von Paulus, ob er überhaupt auf der richtigen Seite stehe, plausibel? Wir glauben grundsätzlich, Petrus habe anhaltend gelitten unter seinem Versagen bei der Verleugnung. Dabei vergessen wir allerdings, dass das Weinen von Petrus nur Ausdruck der Verfassung im erste Moment war, solange Jesus noch lebte. Als Jesus gestorben war, brachen alle Hoffnungen, die man mit Jesu Messianität verbunden hatte, zusammen. Seine Verfassung war nach Jesus Tod nicht mehr von Gewissensbissen bestimmt, sondern von einer maßlosen Enttäuschung. Die Kreuzigung war eine absolute Katastrophe für den Glauben an diesen Jesus. Die Erzählung über die Emmaus- Jünger bringt das in besonderer Weise zum Ausdruck: „Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen.“ Auch anhand der Reaktionen der Augenzeugen lässt sich ablesen, dass man im Jüngerkreis niemals mit einer Auferstehung gerechnet hätte. Was Paulus anbelangt, deutet ebenfalls nichts darauf hin, dass er sich in einem inneren Konflikt befand, als er dem Auferstandenen begegnete. Er war sich vor Damaskus seiner Sache genauso sicher, wie nach Damaskus, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Die psychodynamische Erklärung für die angeblichen Visionen beider Apostel beruht also auf zusätzlichen Hypothesen, für die es keinen Anhalt gibt.
Das nächste Gegenargument knüpft an das zuletzt genannte an. Positive Halluzinationen oder Visionen erfordern in der Regel bei den betreffenden Personen eine positive Erwartungshaltung oder eine hoffnungsvolle Gemütseinstellung, die eine sich selbst erfüllende positive Prophezeiung provozieren könnte. Prof W.Milligan stellt fest, „dass der Gegenstand der Vision charakterisiert sein muss durch den Glauben an den Gedanken, den er vermittelt, sowie durch die erregte Erwartung, dass dieser Gedanke irgendwie realisiert werden wird. Paul Little: „Um ein solches Erlebnis zu haben, muss man so danach verlangen, dass man etwas projiziert, das eigentlich nicht da ist, und die Einbildung mit der Wirklichkeit verbindet.“
Bei den Begegnungen mit dem Auferstandenen dagegen wurden seine Jünger oder auch Paulus gegen ihre Erwartung und gegen ihren Willen zum Glauben geführt. Von fast allen Augenzeugen des Auferstandenen wird berichtet, dass sie im ersten Moment Angst hatten. Das ist eine Verfassung, die eine positive Vision, die nicht von Gott gesandt wäre, unmöglich machen dürfte. Die Beschreibungen deuten darauf hin, dass die Erscheinungen von außen her sich ihren Gedanken aufdrängten, statt dass sie von innen her kamen. Auch wird in den Texten deutlich, dass sie das, was sie erlebten, zunächst nicht glauben wollten und nur mit der Zeit die anfängliche Skepsis nach Bewusstwerden der Logik aller Fakten der Gewissheit der Realität gewichen ist. Die Jünger hatten weder die psychologische Vorbereitung noch den Gemütszustand im Augenblick des Geschehens, auf deren Grundlage eine positive Halluzination zustande kommen dürfte. Das eindrücklichste Beispiel ist Maria´s Vorhaben, den Leichnam am Ostermorgen einzubalsamieren, ein Vorhaben, das man nicht haben kann, wenn man damit rechnet, dass er auferstehen würde. E.H. Day schreibt dazu: „Beim ersten Erscheinen des Herrn befanden sich die Jünger in unterschiedlichen Gemütsverfassungen; aber der Zustand der Erwartung, der Hoffnung oder der Bereitschaft, ihn zu sehen, fehlte völlig…. Der Glaube aller war durch die Katastrophe des schändlichen Todes erschüttert worden, eines Todes, der so lebhaft die Worte des jüdischen Gesetzes ins Gedächtnis rief: Ein Aufgehängter ist verflucht bei Gott (5.Mos.21,23) Die Theorie subjektiver Visionen könnte plausibel erscheinen, wenn die Jünger sich geweigert hätten, das schlimmste zu glauben. Doch die Hoffnung der Jünger waren so weit zerstört worden, dass sie sich nur sehr langsam erholten.“
Ein sehr beliebter Einwand für die Halluzinationstheorie ist zu sagen, dass die Erscheinung Jesu vor Damaskus ebenfalls keine leibliche Dimension hatte. Paulus stelle in 1.Kor.15 1-11 seine Begegnung mit Jesus auf die gleiche Stufe wie die mit den übrigen Augenzeugen. Das sei ein klarer Hinweis darauf, dass es sich auch bei den Erscheinungen Jesus um reine Visionen gehandelt habe. Hier stellt sich nun die Frage: Wird die Schlussfolgerung richtig gezogen: Wenn es bei Paulus eine nicht-leibliche Begegnung gewesen ist, muss es dann bei den Jüngern das Gleiche gewesen sein? Zwar betont Paulus in 1.Kor.15 die Gleichwertigkeit seiner Begegnung mit Jesus, aber damit muss nicht automatisch die Gleichartigkeit der Begegnung gemeint sein. Dass es Paulus in 1.Kor. 15, 1-11 bei der Aufzählung der Augenzeugen einschließlich seiner eigenen Person nicht darum ging darzustellen, dass die Erscheinungen des Auferstandenen reine Visionen waren, wurde von mir oben schon ausgeführt. Ihm ging es um den Beweis der Tatsache der Auferstehung. Auch lässt die Erscheinung vor Damaskus nicht das Verständnis einer reinen Vision zu, denn auch dort haben die Begleiter eine Stimme gehört und etwas gesehen, was sie nicht einordnen konnten. Es war folglich keine auf die Innerlichkeit von Paulus begrenztes Ereignis, das nicht auch seine Begleiter direkt miterlebt hätten. Man könnte es als halbvisionäre Erscheinung bezeichnen. Insofern kann man Paulus nicht ein anderes Auferstehungsverständnis als den Evangelien unterstellen und insofern hat seine Jesus-Erscheinung, auch wenn sie nach der Himmelfahrt anders geartet sein musste als die der Jünger, die gleiche Beweiskraft wie die leiblichen Begegnungen der Jünger. Dazu William Lane Craig: „Aber wenn wir einmal erkannt haben, dass es Paulus in 1. Korinther 15,3-8 um die bloße Tatsache der Erscheinungen des Auferstandenen geht und nicht um ihre Art und Weise, und dass er in seinem historischen Kontext starke Motive dafür hatte, seinen Namen der Liste der Zeugen hinzuzufügen, gibt es überhaupt keinen Grund für die Annahme, dass sein Zeugnis impliziert, dass alle nachtodlichen Erscheinungen Jesu so waren wie Paulus‘ Begegnung mit dem auferstandenen und in den Himmel gefahrenen Jesus. Fällt aber diese Annahme hin, gibt es schlicht keinen Grund dafür, alle diese Erscheinungserlebnisse als Visionen zu betrachten.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt trägt zur Klärung unserer Frage bei: Paulus unterscheidet in seinen Kommentaren klar zwischen den Offenbarungen und visionären Erscheinungen (2.Kor.12,1-9; Apg.:16,9; Apg18,9; Apg.22,17f) einerseits und seiner Begegnung mit dem Auferstandenen vor Damaskus andererseits. In 2.Kor.12, wo Paulus bestimmte Offenbarungen auflistet und davon spricht, dass er sich seiner hohen Offenbarungen rühmen könnte, erwähnt er mit keiner Silbe die Begegnung vor Damaskus, die sein eigentliches Schlüsselerlebnis war. Bei seinen Erscheinungen in der Nacht oder seinen ekstatischen Erlebnissen (Apg.22,17) sind diese immer extra als solche gekennzeichnet im Gegensatz zu seinem Damaskuserlebnis. Seine Damaskuserfahrung wird nicht als innere Erscheinung geschildert, sondern als handfestes reales Ereignis. In der Bekehrungserzählung vor Damaskus fehlt jeder positive Hinweis darauf, dass es sich um eine innere Erscheinung handelte. Wir sollten auch nicht immer so tun, als konnten die Menschen zur Zeit Jesu nicht zwischen Visionen und Wirklichkeit unterscheiden. Im Gegenteil: Die Menschen damals waren gegen Einbildungen und Fantasien in besonderer Weise sensibilisiert. Die Bemerkung in Lukas 24,37: „… sie meinten, sie sähen einen Geist…“ setzt eindeutig ein bestimmtes Unterscheidungsvermögen voraus. So können wir auch annehmen, dass Paulus ebenfalls unterscheiden konnte und unterschieden hat zwischen seinen inneren Erscheinungen und der Art der Begegnung vor Damaskus mit dem Auferstandenen.
Was spricht noch gegen die Halluzinationshypothese?
In drei Berichten wird die Erscheinung Jesu nicht sofort als Jesus erkannt. Egal ob wir annehmen, dass Halluzinationen aus dem Wunschdenken des betroffenen Menschen heraus entstehen, oder dass Gott eine Vision des Auferstandenen geschenkt hat, in beiden Fällen wäre es außerordentlich seltsam, warum die Betroffenen Jesus nicht gleich erkannt hätten? Beim Wunschdenken müsste es in der Natur der Sache liegen, dass das Wunschbild mit dem in der Vision erscheinenden Bild identisch ist. Im anderen Fall, müsste man fragen, warum Gott, wenn er schon eine Vision schickt, das Gesicht nicht gleich gestaltet hat? C.S Lewis drückt es folgendermaßen aus: „Jegliche Halluzinationstheorie zerbricht jedoch angesichts der Tatsache (die, sollte sie eine Erfindung sein, die seltsamste ist, die jemals einem Menschen in den Sinn gekommen ist), dass die Halluzinationen bei drei verschiedenen Gelegenheiten nicht sofort als Jesus erkannt wurden (Luk.24,13-31; joh.20,15; 21,4). Selbst wenn wir zugäben, Gott habe eine heilige Halluzination gesandt (die Wahrheiten lehren sollte, die bereits ohne sie weithin geglaubt wurden und mit Hilfe anderer Methoden viel einfacher hätten gelehrt werden können und die außerdem durch die Halluzination völlig verdunkelt werden mussten), können wir dann nicht wenigstens erwarten, dass er das Gesicht der Halluzination richtig hinbekommt? Ist er, der alle Gesichter schuf, so ein Stümper, dass er nicht einmal ein erkennbares Abbild des Menschen zustande bringt, der er selbst war?“
Das Nichterkennen von Jesus spricht nicht nur gegen die Halluzinationstheorie, sondern auch für die Historizität des Berichteten. Bei einer legendenhaften nachträglichen Rekonstruktion wäre es völlig unverständlich, warum Jesus nicht sofort erkannt werden sollte. Nur im Rahmen der tatsächlichen Auferstehung macht es einen Sinn, dass Jesus nicht sofort erkannt wurde. In diesem Denkrahmen hatte Jesus einen veränderten Auferstehungsleib, dessen Wesen eben gerade dadurch gekennzeichnet war, dass er nicht mehr einem rein natürlichen Körper entsprach. Der Auferstehungsleib hatte ein verändertes Aussehen.
Das Argument der antidoketischen Apologetik:
Der Doketismus war eine frühchristliche Irrlehre, die unter der Vorstellung, alle Materie sei niedrig und böse, behauptet hat, Jesus habe nur einen Scheinleib gehabt. Die menschliche Natur Jesu wurde verneint, er sei ganz Gott geblieben, sodass er nur zum Schein gelitten habe und gestorben sei. Die Johannesbriefe, in denen die menschliche Natur bzw. die Menschwerdung Jesu besonders betont werden, sieht man als Antwort auf den wachsenden Einfluss des Doketismus, der später in der Gnosis und Manichäismus aufging. Manche liberalen Theologen sind der Meinung, dass der Physikalismus der Evangelien, was die Erscheinungen des Auferstandenen anbelangt, sich erst im Laufe der Zeit als Reaktion auf den Doketismus entwickelt hat. Die menschlichen Merkmale, die Jesus nach der Auferstehung aufwies, habe man ihm erst später angedichtet, um sich gegen den Doketismus abzugrenzen. Hierzu gibt es mehrere Gegenargumente:
1. Im Jüdischen Denken stellt der Mensch aus Leib, Seele und Geist eine Einheit dar, zwar unter verschiedenen Aspekten aber doch als Ganzheit. Eine Trennung zwischen Leib und Seele wie im griechischen Denken oder ein postmortales Weiterleben allein der Seele kannte der Hebräer nicht. Für einen damaligen Juden war eine Auferstehung selbstverständlich eine leibliche Auferstehung. Die Idee einer geistlichen Auferstehung kam aus dem Griechischen. Man darf demzufolge annehmen, dass eine leibliche Auferstehung das „Original“ war und der Doketismus eine Anpassung des Auferstehungsverständnisses an die eigene Weltanschauung. Wiliam Lane Craig schreibt dazu: „Es war der Doketismus, der die Reaktion auf diesen Physikalismus war, und nicht umgekehrt. Die leibliche Auferstehung ist mithin das zeitlich und lehrmäßig Ursprüngliche, und der Doketismus entwickelte sich später, aufgrund bestimmter theologischer und philosophischer Überlegungen.“
2. Nehmen wir einmal an, eine spirituelle Auferstehung sei das Ursprüngliche gewesen und die Leiblichkeit der Auferstehung sei reaktiv auf die Ausbreitung des Doketismus entstanden, dann wäre es unverständlich, warum dies hätte geschehen sollen, denn eine rein geistige Auferstehung, wie sie in der liberalen Theologie postuliert wird, wäre nichts Anstößiges für den Doketismus gewesen. Eine Gegenreaktion kann es nur geben, wenn es einen Standpunkt gibt, dem man widersprechen will. Ein spirituelles Auferstehungsverständnis widerspricht aber dem Doketismus nicht. Andernfalls müsste man argumentieren, dass die Evangelisten dem Doketismus widersprechen wollten, rein um der Opposition willen, weil sie vielleicht an anderer Stelle eine andere Lehrmeinung vertraten, und nicht um der Sache willen. Das scheint mir jedoch sehr weit hergeholt.
3. In der Lehre des Doketismus geht es vorwiegend um die Verneinung der Inkarnation Jesu, also um die Verneinung der Menschwerdung. Der Doketismus war eher daran interessiert, zu bestreiten, dass der Sohn Gottes am Kreuz gestorben war, als zu leugnen, dass er auferstand. William Lane Craig schreibt dazu (in die leibliche Auferstehung Jesu/German): „Einige gingen so weit, zu behaupten, dass bei der Kreuzigung der Geist den menschlichen Jesus verließ, worauf dieser starb und leiblich auferstand (Irenäus, Gegen die Häresien, Buch 1, 26.1). Eine antidoketische Apologetik, die eine leibliche Auferstehung beweisen will, geht also an der Sache vorbei.“ Außerdem ist bekannt, dass die späteren Gnostiker, die aus dem Doketismus hervorgingen, nicht alle die leibliche Auferstehung leugneten.
4. Die Evangelienberichte zeigen keine Merkmale einer bewussten Apologetik. Die Hinweise auf die Leiblichkeit Jesu sind zu dürftig, als dass man sie als Versuch, den Physikalismus gegen den Doketismus zu beweisen, werten könnte. Bei einem überlegten Schachzug gegen den Doketismus hätten die Schreiber vermutlich eher herausgestellt, dass die Jünger Jesus tatsächlich berührt haben. Dies ist aber nicht der Fall, im Gegenteil: Im Johannesevangelium sagt Jesus zu Maria: „Rühre mich nicht an!“. Zwar berichtet Matthäus darüber, dass die Frauen seine Füße umfassten, doch wird dies eher beiläufig erzählt in Verbindung mit der Geste der Anbetung und ohne polemische Anspielung auf potentielle doketische Kritik. Auch die Erzählungen der Begegnungen mit dem Auferstandenen in Galiläa und am See Tiberias enthalten keine offensichtlichen Hinweise auf eine Polemik gegen den Doketismus. Die Leiblichkeit des Auferstandenen wird hier stillschweigend und selbstverständlich vorausgesetzt. Schließlich sollten wir noch einen Blick auf die Situation mit dem zweifelnden Thomas im Johannesevangelium werfen. Hier fordert Jesus den Zweifelnden auf, seine Hände in die Wundmale zu legen, es wird allerdings nicht weiter ausgeführt, ob es und wie dies geschehen ist. Im Gegensatz dazu schreibt zum Beispiel Ignatius von Antiochia, ein frühchristlicher Apologet, dass die Jünger Jesus tatsächlich anfassten, sodass Johannes hier wohl kaum der antidoketischen Tendenz verdächtigt werden kann. Schnackenburg schreibt dazu (aus: Die leibliche Auferstehung von William Lane Craig): „Wenn die Evangelienberichte als antidoketische Apologie intendiert wären, müssten sie mehr bringen, als dass Jesus lediglich seine Wundmale zeigte.“
Wie an vielen Stellen ist man als Laie von den Argumenten der liberalen Theologie zunächst relativ beeindruckt. Auf den ersten Blick klingen die Interpretationen menschlich vernünftig und einsichtig. Erst auf den zweiten Blick und nach Gewinnung der Kenntnis von Gegenargumenten bekommt man den nötigen Abstand und merkt, dass hinter der angeblichen Wissenschaftlichkeit oft nur eine Hypothesenbildung steckt. Durch alle 4 genannten Gegenargumenten gegen die antidoketische Apologetik der Evangelien erkennen wir deutlich, dass der Auferstehungsleib, wie er in den Evangelien beschrieben ist, keine Entwicklung der nachösterlichen Gemeinde als Reaktion auf den wachsenden Doketismus war, sondern zum Grundbestand des neuen Glaubens der Jünger von Anfang an gehörte und auch so überliefert wurde. Abgesehen von einem materialistischen Vorurteil gibt es keine guten wissenschaftliche Gründe dafür, zu bezweifeln, dass Jesus den Jüngern leibhaftig erschienen ist.
Zusammenfassung:
Wir sollten nun die historische Beweisführung zusammenfassen:
1.Die Texte über die Auferstehung weisen alle Merkmale einer historischen Darstellung auf. In den wesentlichen Punkten stimmen alle 4 Evangelien überein. Die Unterschiede können durch Ergänzungen oder durch unterschiedliche Perspektiven der Augenzeugen plausibel gemacht werden. Dabei sind gerade die Unterschiede ein starkes Indiz für die Authentizität. In einer konstruierten Erzählung hätten die Schreiber Unstimmigkeiten vermieden.
2. Die Historizität des leeren Grabes ergibt sich aus der einfachen Tatsache, dass die jüdische Obrigkeit keinen Versuch unternommen hat, mit dem noch vorhandenen Leichnam gegen die christliche Bewegung zu argumentieren. Das wäre das einfachste und schnellste Mittel gewesen, den christlichen Glauben im Keim zu ersticken. Die Leichendiebstahltheorie war deshalb keine Erfindung der Autoren der Evangelien, sondern logische Konsequenz auf die überraschende Nachricht vom leeren Grab. Es gibt historische Hinweise darauf, dass diese Theorie tatsächlich verbreitet war, wie es Matthäus beiläufig erwähnt.
3. Versuche der HKT, das Verständnis einer leiblichen Auferstehung, wie es in den Evangelien vermittelt wird, gegen ein angeblich rein spirituelles Auferstehungsverständnis bei Paulus auszuspielen, laufen ins Leere, da man bei Paulus ein derartiges Verständnis nicht nachweisen kann. Viel wahrscheinlicher als jede andere Theorie ist, dass Paulus wie auch Petrus das leere Grab stillschweigend voraussetzten.
Professor Thomas Arnold schreibt: „Ich bin nun schon viele Jahre lang daran gewöhnt, die Geschichte anderer Zeiten zu studieren und die Beweisführung derer zu untersuchen und abzuwägen, die darüber geschrieben haben, und ich kenne keine einzige Tatsache in der Geschichte der Menschheit, die von besseren und vollständigeren Belegen jeder Art bewiesen wurde… als das große Zeichen, das Gott uns gegeben hat: dass Christus starb und wiederauferstand von den Toten.“ (aus: Die Bibel im Test S. 280. Der bekannte englische Jurist Sir Edward Clarke schrieb einmal: „Als Jurist habe ich mich längere Zeit mit den Zeugnissen für die Ereignisse von Ostern befasst. Sie stellen in meinen Augen einen schlüssigen Beweis dar; oft genug habe ich am Obersten Gerichtshof ein Urteil herbeigeführt auf Grund von weit weniger zwingenden Indizien. Tatsachen erfordern Erklärungen: ein zuverlässiges Zeugnis ist immer schlicht und geht nicht auf Effekt aus. Von solcher Art ist die Überlieferung von der Auferstehung im Neuen Testament, und als Jurist kann ich sie bedenkenlos annehmen als das Zeugnis zuverlässiger Leute von Dingen, die sie bezeugen konnten.“
4.) Es gibt wenige Ereignisse in der Bibel, die historisch zwingender beweisbar sind als die leibliche Auferstehung. Es gibt zwar kaum ernstzunehmende Historiker, die die Existenz, die Kreuzigung und die Grablegung Jesu anzweifeln, aber es gibt immer noch zahlreiche Theologen, die die leibhaftige Auferstehung Jesu in Frage stellen.
Warum ist das so?
An keinem anderen Heilsereignis der Bibel tritt das eigentliche Dilemma der HKT deutlicher zutage als an dem Auferstehungsverständnis. Während man vielleicht mangels Daten viele alttestamentlichen Berichte über Wunder historisch in Frage stellen kann, ist das bei der Auferstehungsgeschichte kaum möglich. Sowohl die Glaubwürdigkeit zahlreicher Augenzeugen als auch die massiven Spuren, die diese Geschichten bis heute hinterlassen haben, sprechen für die Echtheit des Berichteten. Dass man ihre Echtheit trotzdem in Frage stellt, lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Es muss einen anderen Grund geben, warum man die historische Beweisführung innerhalb der HKT so vehement bekämpft und nach alternativen Theorien sucht. Nach allem, was bisher geschrieben wurde, ist der Grund ziemlich eindeutig: Es ist das Wunderkritische Paradigma, dem sich die historische Kritik verpflichtet fühlt. Übernatürliche Wunder können nicht geschehen, weil sie ein offenes Weltbild, indem Gott eingreifen würde, voraussetzen würden. Gerade bei der historisch kritischen Beurteilung der Auferstehungsberichte wird die Abhängigkeit von diesem Paradigma wie an keiner anderen Stelle deutlich. Auch ein liberaler Theologe müsste zugeben, dass die Indizien für die Glaubwürdigkeit der Evangelienberichte bei der Auferstehung sehr stark sind, dass er ihre Glaubwürdigkeit trotzdem in Frage stellt, beweist sein Verhaftetsein im Denksystem der Wunderkritik. Um es noch klarer zu sagen, nicht der biblische Befund zwingt mich zu einer derartigen Haltung, sondern die philosophischen und wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen innerhalb der HKT der letzten 300 Jahre. Josh Mc Dowell schreibt dazu (in Die Bibel im Test): „Für viele Leute ist heute ein Geschichtsstudium mit folgenden Annahmen verbunden: Es gibt keinen Gott, Wunder sind unmöglich, wir leben in einem geschlossenen System, und es gibt nichts Übernatürliches. Mit diesen Vorurteilen beginnt man dann eine kritische, offene und „ehrliche“ Untersuchung der Geschichte. Studiert man das Leben Christi und liest da von seinen Wundern oder von der Auferstehung, folgert man von vorherein, dass es kein Wunder oder keine Auferstehung war; denn man weiß ja (zwar nicht historisch, aber philosophisch!), dass es keinen Gott gibt, dass wir in einem geschlossenen System leben, dass Wunder nicht möglich sind und dass es nichts Übernatürliches gibt. Darum können diese Dinge nicht sein. Damit haben die Leute aber die Auferstehung Christi ausgeschlossen, ehe sie überhaupt anfangen, die Auferstehung historisch zu untersuchen. Diese Prämissen sind philosophisch Vorurteile. Man stützt sich auf die „rationalistische Voraussetzung“, dass Christus nicht habe auferstehen können. Anstatt mit historischen Fakten zu beginnen, schließt man sie durch metaphysische Spekulationen aus. John W.Montgomery schreibt: Die Tatsache der Auferstehung kann nicht aus a-priori-philosophischen Gründen unberücksichtigt bleiben; Wunder sind nur dann unmöglich, wenn man sie so definiert- aber eine rechte historische Untersuchung schließt eine solche Definition aus.“
Dass diese Denkvoraussetzungen weder dem neuesten Stand der Wissenschaft noch der Offenheit des modernen philosophischen Denkens auch für übernatürliche Eingriffe entsprechen, also als veraltet gelten können, scheint hier nicht zu stören. Man könnte fragen, warum ist es so schwer, dieses veraltete Paradigma zu verlassen? Wie ich das schon in ähnlicher Weise für die Prophetie-Kritik getan habe, möchte ich dies auch nochmal beim Thema der Auferstehung betonen. Würde man hier die Wunderkritik aufgeben, würde das ganze Kartenhaus der HKT zusammenfallen. Wenn Jesus tatsächlich leibhaftig auferstanden wäre, dann wäre das eine Bestätigung dafür, dass Gott in die Weltgeschichte eingreift. Das Urteil zugunsten einer leibhaftigen Auferstehung wäre quasi ein Präzedenz-Fall, der auf alle anderen Wunder sich auswirken würde. Die Theologie des abwesenden nicht mehr das Raum-Zeitkontinuum durchbrechenden Gottes hätte ausgedient. Wenn die Auferstehung keine Legende ist, dann können auch alle anderen Wunder Realität sein, denn die Wunderkritik basiert nicht auf einzelnen Gegenbeweisen, sondern auf einem systematischen Zweifel und auf einem alles bestimmenden In-Frage-Stellens. Wir haben es in der HKT nicht mit Einzelkritiken zu tun, wir haben es mit einem System, das die gesamte Bibel umfasst, zu tun. Die Wunderkritik überzieht die ganze heilige Schrift wie ein Heuschreckenschwarm, der eine kahle Landschaft hinterlässt. Die Wunderkritik ist keine Nagelfeile, mit der ich kleine Veränderungen vornehme, sondern sie ist ein Presslufthammer, mit dem ich das ganze Wesen, die ganze Grundstruktur der Bibel erschüttere. Entsprechend wird durch die Wegnahme dieser Kritik mein ganzes Bibelverständnis sich verändern. Die Auferstehung Jesu verleiht wie kein anderes Wunder nicht nur dem Ereignis selbst, sondern sämtlichen berichteten wundersamen Begebenheiten Autorität. Die durch die Wunderunmöglichkeitstheorie (WUT) verursachten Zweifel an der Gottessohnschaft Jesu, der Doppelnatur, den zahlreichen Wundern, die er getan hat, den Aussagen zu Verdammnis und Gericht, an der Bedeutung von Tod und Auferstehung, alle Kritik an Pfingsten und Himmelfahrt und der paulinischen Lehre, müsste nochmal auf den Prüfstand und neu bewertet werden. Alle Wundergeschichten der Bibel erscheinen plötzlich in einem anderen Licht, alles, was in ihr geschrieben steht, bekommt eine neue Bedeutung. Wenn Gott selbst sich den Augenzeugen einschließlich Paulus tatsächlich im Auferstandenen in einmaliger bisher nie dagewesener Weise offenbart hat, dann heißt das, dass er ihnen in einmaliger nie dagewesener Weise eine Autorität verliehen hat, die uns veranlassen sollte, ihre Aussagen und Worte ernst zu nehmen und danach zu leben. Im auferstandenen Jesus begegnet uns Gott in konkreter Art und Weise und führt uns vor Augen, was es bedeutet, dass er lebt. Er ist nicht ein abstrakter abgehobener Gott, sondern ein Gott, der in der Welt und in unserem Leben greifbar handelt. Auch ein zweites wird deutlich: Die Trennung von Geschichte und Theologie wird durch eine leibhaftige Auferstehung aufgehoben. Erst nach der Auferstehung haben die Jünger viele Bilder und Aussagen, die Jesus während seiner Lebenszeit geäußert hat, verstanden. Erst auf der Grundlage der Auferstehung wurden die Apostel zu vollmächtigen Verkündigern der frohen Botschaft und zwar nicht nur psychologisch sondern vor allem theologisch. Nun verstanden sie den Heilsplan Gottes und den eigentlichen Sinn von Jesu Leben, Leiden und Sterben. Die Verwandlung der Jünger vollzog sich vor allem auf geistlichem Gebiet, was ohne die Erfahrung des leeren Grabes und ohne die Erkenntnis seiner Bedeutung für unser Leben niemals möglich gewesen wäre. Die Auferstehung wäre ein überzeugendes Beispiel dafür, dass die geschichtliche Wahrheit Dreh- und Angelpunkt für die theologische Wahrheit ist. Ohne Zweifel hat die Auferstehung die Geschichte der Menschheit mehr und grundlegender verändert als jegliche menschliche Ideologie. Zu sagen, es komme nicht darauf an, ob die Auferstehung leiblich oder rein geistig zu verstehen ist, führt in die Irre. Es ist, wie wenn ich als Bauherr sagen würde es komme nicht darauf an, ob beim Bau eines Hauses die Statik tatsächlich beachtet wurde, Hauptsache, es ist bescheinigt, und ich glaube daran. Wir sollten uns nochmal bewusst machen, was es bedeuten würde, wenn die Theorien zur rein spirituellen Auferstehung zutreffen sollten. In der liberalen Theologie wird immer den eigentlichen Sachverhalt vertuschend von Legendenbildung gesprochen. Mag das für manche alttestamentlichen Erzählungen im Rahmen der liberalen Denkweise gerechtfertigt sein, so könnte man diesen euphemistischen (beschönigenden) Begriff bei der Auferstehungsgeschichte gerade nicht anwenden. Bei meiner historischen Beweisführung ist klar geworden, dass eine derartige Verdrehung der Geschichte nicht mehr als legendenhafte Ausschmückung angesehen werden kann, sondern als vorsätzliche Vertuschung der Wahrheit und als systematische Falschdarstellung der Wirklichkeit. Nicht die Jünger und Paulus waren zu naiv, als dass sie die Wirklichkeit nicht von Fiktion und Übertreibung unterscheiden konnten, sondern derjenige, der den Jüngern und den Augenzeugen dieses Unvermögen unterstellt. Die frühen Christen waren nicht so leichtgläubig oder unkritisch, wie es oft dargestellt wird. Klaus Berger schreibt dazu: „Dass immer wieder auf Pseudo-Propheten und Pseudo-Christusse warnend hingewiesen wird (z.B. Mk13,22), hat seinen Grund darin, dass der Gegenstand ihrer Frömmigkeit im Prinzip ungreifbar und im Einzelnen unbeweisbar ist… Ich möchte daher .. ausdrücklich darauf hinweisen, dass die frühen Christen gegenüber mystischen und visionären Erfahrungen äußerst skeptisch waren. Jedenfalls haben sie auf ihre Weise alles nur Mögliche getan und überlegt, um nicht Opfer eines Wunschdenkens oder Betrugs zu werden…“. Klaus Berger bezieht sich damit auch ausdrücklich auf die Begegnungen mit dem Auferstandenen. Die Alternative im Falle der Auferstehung ist also nicht: Geistige Auferstehung oder leibliche Auferstehung, sondern Wahrheit oder Betrug. So kann es auch für unseren Glauben keine Alternative zu einem leiblichen Auferstehungsverständnis geben, ansonsten müssten wir zugeben, dass unser Glaube auf dem Glauben von Betrügern beruht. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass liberale Theologen nicht wissen, was sie eigentlich sagen. Sie scheinen manchmal die logischen Konsequenzen ihrer Begründungen nicht vernünftig durchdacht zu haben. Nur eine euphemistische Redeweise überdeckt diese Konsequenzen. Noch eines sollte gesagt werden: Wenn es nicht auf das innere Verständnis der Auferstehung ankommt, warum war dann ausgerechnet das physische Verständnis das, welches die Kirchengeschichte entscheidend geprägt hat. Kann man wirklich sagen, dass all die verwandelten Menschenherzen, die zahlreichen mutmachenden Predigten in Zeiten der Krankheit und des Sterbens, das hoffnungsfrohe Aufblicken auf den auferstandenen Christus, die zahlreichen Lieder und Bilder, die geschrieben bzw. gemalt und mit dem Inhalt einer leibhaftigen Auferstehung gefüllt worden sind, der tiefgreifende Trost und die in die Ewigkeit reichende Aussicht, die von Ostern in den vergangenen 2000 Jahren ausgegangen sind, ebenso möglich gewesen wären unter der Vorstellung einer rein spirituellen Auferstehung? Ich glaube das nicht! Ich habe den Eindruck die liberale Theologie, die eine historische Auferstehung verneint, ist wie ein Reiter der meint, er reite, nur weil er im Sattel sitzt ohne dass ein Pferd gesattelt ist. Eine wirkliche Perspektive bietet nur eine leibhaftige Auferstehung.
Lassen sie es mich nochmal klar sagen, der Unterschied zwischen einem spirituellen Auferstehungsverständnis und einem leibhaftigen Auferstehungsverständnis ist nicht der zwischen einem Kuchen und einem Bäcker, denen man noch das gleiche Ziel und deshalb eine gewisse Ähnlichkeit nachsagen könnte. Es ist der Unterschied zwischen einem Backofen und einer Verbrennungsanlage. Nach allem, was bisher gesagt wurde, können wir festhalten, dass beide Verständnisse nicht gegensätzlicher sein könnten. Es ist der Unterschied von zwei völlig verschiedenen Gottesbildern. Der Glaube an eine spirituelle Auferstehung klingt vielleicht nett, hat aber nichts mit biblischem Glauben zu tun, weil er die biblischen Denkvoraussetzungen, auf die die Heilige Schrift von der ersten bis zur letzten Seite insistiert, ablehnt. Es ist ein Glaube an die Macht der menschlichen Gedanken und die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Vernunft. Nicht Jesus ist auferstanden, sondern der Gedanke an Jesus. Nicht Jesus lebt, sondern die Sache Jesu lebt. Nicht Gott hat sich offenbart, sondern der Mensch begreift sich neu im Sinne der Ethik Jesu. Deshalb ist der Glaube angeblich kein Glaube an eine Person, sondern der Glaube wie eine Person. Welch trostloses Auferstehungsverständnis. Wer an eine spirituelle Auferstehung glaubt, glaubt nicht an den biblischen Jesus, sondern an ein von der historisch-kritischen Theologie konstruierten Jesus. Wir sollten nicht so tun, als wäre die historisch-kritische Sicht nur eine legitime Möglichkeit unter anderen. Zu behaupten, es komme nicht darauf an, ist Augenwischerei, die den Abgrund hinter einer Denkweise verbirgt, die nichts anderes ist als der Versuch, menschliches Denken an die Stelle der Offenbarung Gottes zu setzen.
Die leibliche Auferstehung Jesu ist entweder die irreführendste Lüge der Weltgeschichte oder sie ist die faszinierendste Wahrheit der Menschheit, deren Ausmaß und Bedeutung wohl kaum in menschliche Worte zu fassen ist. Entweder die Menschen, die Jesus nach der Auferstehung begegnet sind, waren wahnsinnig bzw. die größten Betrüger aller Zeiten, oder sie waren tatsächlich Zeugen des größten Wunders, das jemals seit der Schöpfung geschehen ist. Es gibt keinen realistischen Bereich dazwischen. Hier gibt es kein Wenn und Aber, hier gibt es nur ein Entweder- Oder. Tatsächlich hat keine Nachricht die Welt mehr verändert als die Nachricht von Jesu leibhaftiger Auferstehung. Der Glaube daran hat die abendländische Kultur mehr geprägt als alle sonstigen Geistesströmungen und hat mehr Menschen verändert als alle politischen Systeme oder menschlichen Ideologien zusammen. Die Auferstehung ist der Dreh- und Angelpunkt der jüdisch-christlichen Religion. Sie ist nicht nur der Zielpunkt aller heilsgeschichtlichen Entwicklungen des AT, sondern auch Ausgangspunkt aller christologischer Wahrheiten im NT. In der Auferstehung verschmelzen AT und NT zu einer geistig-theologischen Einheit. Die Bibel lässt sich nur richtig verstehen auf dem Hintergrund von Tod und Auferstehung Jesu. Mit ihr steht und fällt der christliche Glaube wie mit keinem anderen Heilsereignis. Deshalb ist jeder Versuch, das biblische Zeugnis dieses weltverändernden Ereignisses umzuinterpretieren zum Scheitern verurteilt. Wer die Auferstehung nicht sieht, der sieht nichts, der gehört zu den armseligsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Wer aber die Auferstehung in seinem heilsgeschichtlichen Kontext und in seiner Bedeutung für jeden einzelnen Menschen erkennt, den kann nichts mehr abhalten davon, diese Botschaft mit Begeisterung und aus voller Überzeugung in die sonst trostlose Welt hinauszutragen. Dies und nichts anderes ist der Grund für die Veränderung der Augenzeugen der Auferstehung und aller nachfolgenden Generationen, die diese Botschaft auf- und für sich in Anspruch nehmen. Die Auferstehung ist der endgültige und ausreichende Beweis dafür, dass Jesus lebt. Sie ist aber vor allem eines, sie ist das Tor aus dem dunklen Reich des Todes in die herrliche Freiheit des ewigen Lebens. Nirgends sonst wird uns die Perspektive auf eine Auferstehung und ein ewiges Leben klarer eröffnet als im Vorausgehen Jesu durch Tod und Auferstehung.