Mission im klassischen Sinn gilt heute in der HKT als suspekt. Meistens werden Extrembeispiele von Zwangsmissionierungen oder von einseitigen Bekehrungsabsichten ohne soziale Hilfsangebote in der Geschichte angeführt, um das klassische Missionsverständnis zu diffamieren. Dass derartige Fälle eines einseitigen Missionsverständnisses stattgefunden haben, ist geschichtlich belegt. Allerdings können derartige Beispiele niemals als Begründung für die Ablehnung von Mission allgemein angeführt werden, da die Beispiele positiver missionarischer Konzeptionen, die immer den geistlichen und sozialen Aspekt einschließen, bei weitem überwiegen. Was in dieser Diskussion häufig übersehen wird, ist die Tatsache, dass eine Bekehrung zu Jesus oft unmittelbare Auswirkungen auf den Lebensstil und damit auch auf die sozialen Verhältnisse in einer Lebensgemeinschaft zur Folge hat. Besser müsste man formulieren, dass eine Hinwendung zu Jesus oft ganz automatisch auch mit einer veränderten Lebenswirklichkeit einhergeht. In hunderten von Missionsberichten, die ich im Laufe meines Lebens gelesen und gehört habe, konnte ich in keinem einzigen Fall die Merkmale der Missachtung der tätigen Nächstenliebe und des fehlenden Respektes vor der fremden Kultur, selbst wenn sie unseren Vorstellungen von Menschenwürde zunächst widersprechen, erkennen. Anders wäre eine erfolgreiche missionarische Aktivität in fremden Kulturen gar nicht möglich. Die Missionsgeschichte ist global gesehen zumindest in neuerer Zeit eine einzige Erfolgsgeschichte. Unzählige Menschen kamen zum Glauben an Jesus. Unzählige Missionare haben ihre gewohnten Sicherheiten aufgegeben und oft unter Krankheits- und Todesgefahr die frohe Botschaft von der Rettung von Sünde und Angst Menschen weitergegeben, die noch nie von Jesus gehört hatten. Heute hat sich verrückterweise die Situation umgekehrt. Afrikanische Missionare kommen heute nach Europa, um den aufgeklärten Menschen zu zeigen, dass er genauso auf Jesus angewiesen ist wie seine Vorfahren, die die Botschaft ursprünglich nach Afrika gebracht haben. Mission im klassischen Sinne wird heute in der HKT eher kritisiert als praktiziert. Die HKT hat keinen theologischen Ansatz für Mission. Ein evangelischer Theologe meinte vor einiger Zeit im ZDF „ Unsere Aufgabe als Missionar ist heute, nicht Missionar zu sein, nicht Missionar sein zu wollen“ Die eigentliche Grund für diese Haltung resultiert nicht aus den obengenannten Negativ-Beispielen, sondern vielmehr aus dem theologischen Grundverständnis in der HKT. Wenn überhaupt, dann besteht Mission nur noch in Entwicklungshilfe. Beachtet man die radikale Abkehr von traditionellen Glaubensinhalten in der Bibelkritik und die Hinwendung zur subjektiv-menschlich orientierten Allversöhnungslehre, dann macht Mission im klassischen Sinn keinen Sinn mehr. Das Heil des Menschen mit der Bedingung einer Bekehrung zu verbinden, würde dem Menschen nur eine unnötige Last auferlegen. So ist heute der Missionsgedanke durch den Dialog-Gedanken ersetzt worden. Die Allversöhnungslehre macht eine Mission bzw. Evangelisation weitgehend überflüssig. Sie könne lediglich die Funktion haben (im Sinne der oberen Ausführungen), Menschen vom angstbesetzten Geisterglauben und der Last der wirtschaftlichen Missstände im diesseitigen Leben zu befreien. Der Absolutheitsanspruch Jesu, der einzige Weg zu Gott zu sein (Joh.14,6), könne heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Der überzogene Anspruch Jesu, sei eine evangelikale Erfindung. In Wahrheit habe uns Jesus zur Nächsten- und Feindesliebe aufgerufen, was die Anerkennung der anderen Religion einschließe und keinesfalls auf einen Religionswechsel des anderen abzielen dürfe. Der Absolutheitsanspruch der christlichen Religion führe zu Ausgrenzung und Streit, das könne nicht im Sinne Jesu sein. Dazu Helge Stadelmann: Ein Religionsunterricht, jedenfalls, der den eigenen Glaubensdokumenten skeptisch begegnet und künftig möglicherweise zugleich im interreligiösen Unterricht den Supermarkt religiöser Möglichkeiten eröffnet, wird kaum der Festigung der religiösen Identität junger Menschen dienen. Er dient vielleicht der religiösen Toleranz. Aber man braucht nicht religiös indifferent zu sein, um anderen tolerant zu begegnen. Einen friedlichen Umgang der Religionen miteinander kann der weltanschauliche neutrale Staat … gewährleisten. Es ist selbstverständlich, dass es nicht im Sinne Jesu wäre, die Glaubensüberzeugung mit Gewalt durchzusetzen. Die Religionsfreiheit bleibt ein christliches Gut. Wo die Religionsfreiheit in der Geschichte gefährdet wurde, bestand meist eine unglückliche Verbindung von Kirchlicher und staatlicher Macht. Daraus nun aber die Konsequenz zu ziehen, auf jeglichen Anspruch auf die Wahrheit zu verzichten, ist im Sinne eines konstruktiven Dialogs nicht notwendig. Außerdem sollten wir beim Umgang mit diesem Thema uns an biblischen Vorgaben orientieren. Paulus war wie alle anderen Apostel davon überzeugt, die Wahrheit zu verkünden. Aus einem echten Interesse am Heil der Heiden heraus hat er im Auftrag Gottes die gute Nachricht gepredigt. Mission und Evangelisation aufzugeben, wäre eine Missachtung des Willens Gottes. Dazu Gerhard Maier: Was aber das Missionarische im engeren Sinne betrifft, so geht die mangelnde missionarische Ausstrahlung der historischen Kritik aus der schlichten Tatsache hervor, dass mit einer Ausnahme (Allgemeiner Evangelisch-Protestantischer Missionsverein (Ostasien)) keine einzige bedeutende Missionsgesellschaft von liberal-kritischen Theologen oder Kreisen gegründet wurde. Der Gedanke, im Gericht Gottes verloren zu gehen, wurde ja im Gefolge Semlers bei vielen als entsetzliche, ungeheure Lehre empfunden, der Antrieb zur Rettung anderer Menschen blieb daher schwach, auch wenn das Pathos der aufklärerischen Seelsorge und Befreiung vorhanden war. Auch die Aussage von Paulus in Apg.4,12: „Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den sie sollen selig werden“ muss umgedeutet werden oder als zeitbedingte Aussage eliminiert werden. Dr. Wolfgang Nestvogel berichtet von einer Jubiläumsveranstaltung seiner Kirchengemeinde. Er habe darüber gepredigt, dass Jesus Christus der einzige Weg zur Rettung sei, und dass es für jeden Moslem, Buddhisten und Hinduisten und auch jeden, der dort in der Kirche saß, darauf ankomme, sich persönlich zu Jesus Christus zu bekehren. Hinterher beim Festakt sei er vom Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück massiv angegriffen worden: „Wie können sie so etwas behaupten? Sie sind Vertreter einer öffentlichen Organisation: Sie haben eine Verantwortung für den öffentlichen Frieden: Darauf Wolfgang Nestvogel: „Wenn das, was sie sagen, Praxis in unserer Stadt wird, dann ist das das Ende der Gewissensfreiheit und der Verkündigungsfreiheit der Kirche. Dies zeigt, dass man Mission nicht nur als nicht notwendig ansieht, sondern sogar als Angriff auf den öffentlichen Frieden versteht. Auch in der EKD gibt es Verlautbarungen, wonach man Mission heute nur noch als interreligiösen Dialog ohne Konversionsabsicht verstanden haben will. Mission wird von Seiten der liberalen Theologie in die Nähe von geistlichem Missbrauch gerückt. Es gab eine Zeit, in der man sich immer wieder eines Klassikers bedient hat: Um Menschen zu gewinnen, müsse man sie da abholen, wo sie stehen. Man tut zwar so, als würde man die Menschen da abholen, wo sie stehen, aber man lässt sie dann auch dort stehen, wo sie sind. Man dürfe sie nicht mitnehmen. Es zeuge von geistlicher Arroganz zu meinen, man habe ein besseres Angebot in der Tasche. Spätestens hier erkennt man, wie weit man sich auch in der Kirche vom Missionsauftrag Jesu und dem apostolischen Pathos der Retterliebe entfernt hat. Auch hier gilt, ähnlich wie bei den vorangegangenen Kapiteln, dass eine derartige Haltung dem Missionsbefehl Jesu gegenüber (Matth. 28,19) nur auf der Grundlage einer grundsätzlichen Bibel-Kritik möglich ist. Immer wieder hat sich gezeigt, dass die Kritik nicht auf halbem Wege stehen bleibt. Sie hat sich selbst die Freiheit gegeben, nach Belieben biblische Aussagen stehen oder fallen zu lassen. Da nicht mehr das Wort Gottes als Offenbarung des Willens Gottes über unserem Empfinden steht, sondern unsere Vernunft sich zum obersten Richter über die Bibel erhoben hat, ist die Kritik am klassischen Missionsverständnis nur folgerichtig. Die Kämpfe um das biblische Missionsverständnis entzünden sich also nicht an der Bibel selbst – hier ist der Auftrag zur Mission klar und eindeutig formuliert-, sondern an vorgefassten Meinungen über die Bibelauslegung. Es geht eben in der liberalen Theologie nicht um theologische Randfragen. Es geht ans Eingemachte. Eine Beschwichtigung der theologischen Auseinandersetzung in der evangelischen Landeskirche mit den Worten: „Im Kern sind wir uns doch einig,“ verkennt die Situation und verschließt die Augen vor dem Wasser, das über einen schon längst vollzogenen Deichbruch hereinfließt. In einem kürzlich stattfindenden Pfingstmissionsfest der Liebenzeller Mission sprach der Theologe und Sprachwissenschaftler Prof. Roland Werner (Marburg) über die Bedeutung von weltweiter Mission. „Mission sei eine großartige Sache, wenn sie kultursensibel, menschenfreundlich, demütig, in der Kraft des Heiligen Geistes und christuszentriert passiert. Er erzählte in seinem Vortrag von einem persönlichen Erlebnis im Hochland von West-Papua (Indonesien). (aus Idea-Spektrum) Dort habe er mit einem befreundeten Missionar Menschen besucht, die erst in den 1960er Jahren in Kontakt mit der Außenwelt gekommen seien. Er habe die Einheimischen gefragt, was sich für sie verändert habe, seit das Evangelium zu ihnen gekommen sei. Sie hätten ihm geantwortet, dass sie nun in Frieden miteinander leben könnten. Die Dörfer, die sich gegenseitig im Rahmen der Blutrache bekämpft hätten, lebten jetzt gemeinsam als eine Gemeinde des Christus. Deshalb solle man sich von niemandem Mission miesmachen lassen.
Um nicht in den Verdacht zu geraten, nur vorgefasste christliche Meinungen zu präsentieren, will ich nun einen Atheist, der viele Jahre seiner Kindheit in Afrika verbracht hat, zu Wort kommen lassen. Es handelt sich um einen bekannten Times-Kolumnist, Matthew Parris. (Aus Gott imFadenkreuz von John Lennox S 102). Er ist von dem positiven Wert christlicher Mission in Afrika überzeugt und bringt dies auch unmißverständlich zum Ausdruck. In einem viel diskutierten Artikel in der Times schrieb er: „Als Atheist glaube ich aufrichtig, dass Afrika Gott braucht: Missionare, keine Hilfsgelder, sind die Lösung für Afrikas größtes Problem: die erdrückend passive Mentalität der Menschen: Parris erklärt: „Bei meiner Resie durch Malawi erneuerte sich auch eine andere Überzeugung: eine, die ich mein Leben lang zu verdrängen versucht habe, und doch eine Beobachtung, vor der ich seit meiner afrikanischen Kindheit nicht die Augen schließen konnte. Sie bringt meine ideologischen Überzeugeungen durcheinander, weigert sich hartnäckihg, sich meiner Weltsicht anzupassen, und ist peinlich für meine wachsende Überzeugung, dass es keinen Gott gibt. Jetzt als eingefleischter Atheist, bin ich überzeugt, von dem enormen Beitrag, den die christliche Evangelisation in Afrika leistet: und sie unterscheidet sich deutlich von der Arbeit der säkularen Nichtregierungsorganisationen, Regierungsprojekten und internationalen Hilfsbemühungen. Diese reichen nicht aus. Bildung und Ausbildung allein reichen nicht aus. In Afrika verändert der christliche Galube die Herzen der Menschen. Er bringt eine geistliche Umwandlung hervor. Die Wiedergeburt ist echt. Die Veränderung ist gut. Früher ging ich dieser Wahrheit immer aus dem Weg, indem ich- was legitim ist- die praktische Arbeit der Missionsgemeinden in Afrika lobte. Leider (würde ich sagen) gehört die Errettung zum Gesamtpaket dazu, doch schwarze und weiße Christen, die in Afrika arbeiten, heilen Kranke, lehren Menschen Lesen und Schreiben, und nur die härtesten Säkularisten könnten ein Missionskrankenhaus oder eine Missionsschule sehen und sagen, die Welt wäre besser ohne sie.“
Paris schließt, indem er schreibt: „Wer will, dass Afrika sich im weltweiten Wettbewerb des 21. Jahrhunderts mit hoch erhobenem Haupt bewegen kann, darf sich nicht vormachen, die Bereitstellung der materiellen Mittel oder selbst das Know-how, das mit dem einhergeht, was wir Entwicklung nennen, würde die entscheidende Veränderung bringen. Zuerst muss ein ganzes Glaubenssystem ersetzt werden. Und ich fürchte es muss durch ein anderes Glaubenssystem ersetzt werden. Wenn man die christliche Evangelisation aus der afrikanischen Gleichung ausklammert, könnte es sein, dass damit der Kontinent einer unheilvollen Mischung aus Nike, Medizinmann, Mobiltelefon und Machete ausgeliefert bleibt.“
Zum Schluss dieses Kapitels möchte ich einen der größten bekannten Missionare, dessen missionarisches Vermächtnis bis heute nachwirkt, zitieren: Hudson Taylor (1832-1905). (aus: „Die Bibel fasziniert mich“ Hrsg. Maleachi-Kreis): „Karl Heim berichtet von einem Treffen mit Hudson Taylor: „Wir kamen ja aus dem Tübinger Stift, der Hochburg der liberalen Theologie und der Bibelkritik. Wir umringten Hudson Taylor und stellten ihm die Frage: „Wie können Sie so an jedes Wort der Bibel glauben?“ Er gab uns zur Antwort: „Wenn sie morgen wieder von Frankfurt abreisen wollen, so schlagen sie das Kursbuch auf und sehen nach, wann der Zug abgeht. Und wenn da steht, um sieben Uhr morgens fährt der erste Zug, so stellen sie weiter keine Untersuchungen an über die Zuverlässigkeit des Kursbuches, sondern gehen morgens sieben Uhr auf den Bahnhof und finden dort den angegebenen Zug. Genau so, wie Sie es mit dem Kursbuch machen, habe ich es seit fünfzig Jahren mit der Bibel und ihren Geboten und den Zusagen gemacht, und ich habe ihre Weisungen in einem langen Leben auch unter Hunderten von Todesgefahren immer richtig gefunden“.
Wenn man von einem Menschen als Mann Gottes sprechen kann, dann war es dieser Gründer der China-Inlandmission, der sein ganzes Leben dem Gedanken geopfert hat, die Menschen in China für Jesus zu gewinnen. Ich weiß nicht, wieviel Früchte seiner Arbeit er selbst noch erleben durfte. Sollten diese zu seinen Lebzeiten gering ausgefallen sein, dann ist es umso erstaunlicher, dass China heute mehr evangelikale Christen zählt als ganz Europa!