Kritik an den 5 Büchern Mose
Als Pentateuch werden die 5 Bücher Mose bezeichnet. Nach der Ansicht der HKT stammen diese 5 Bücher nicht von Mose als Verfasser, sondern wurden ihm nachträglich zugeschrieben. Nach der Ansicht der historischen Kritik ist der Pentateuch das Produkt eines langen Entwicklungsprozesses, wonach im Laufe dieses Prozesses zahlreiche verschiedene zum Teil sich widersprechende Quellen und unterschiedliche religiöse Vorstellungen langsam zu einem Gesamtwerk zusammengeflossen seien. Die Endredaktion erfolgte dann erst in der Zeit während oder nach der babylonische Gefangenschaft, also um 600-400 vor Christus. Dieses Modell ist unter dem berühmten Stichwort Quellenscheidungstheorie bekannt geworden und wird bis heute an Schulen und Hochschulen als wissenschaftliche Erkenntnis gelehrt. Verschwiegen wird dabei immer, dass die Entwicklung dieses Modelles selbst völlig chaotisch war und das Ergebnis nur den kleinsten gemeinsamen Nenner unter vielen sich widersprechender Thesen darstellt. Seit den 70ger Jahren des vorigen Jahrhunderts gerät dieses Modell selbst zunehmend in die Kritik.
Zunächst sollte dem Leser einmal erklärt werden, dass die Quellenscheidungstheorie in einer Zeit entstanden ist, als man davon ausging, dass es die Schreibfähigkeit zu dieser Zeit noch gar nicht gab. Die Theorie ist also zunächst von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen, denn inzwischen weiß man, dass die Schreibkunst schon längst vor Mose entwickelt war. Schon zur Zeit Abrahams gab es in Ur in Chaldäa, der Heimat-Metropole Abrahams (um 2000 vor Christus), Schreibschulen. Bedenkt man, dass neue auch kleine Kenntnisse, die die Quellenscheidungstheorie stützen, oft stark überbetont und überall veröffentlicht werden, dann kommt es einem schon seltsam vor, wenn man beim Verlust einer wichtigen Stütze, wie der fehlenden Schreibkunst zur Zeit Moses, so tut, als wäre nichts passiert, und trotzdem munter an der Theorie festhält.
Das erste und wichtigste Argument gegen die Quellenscheidungstheorie ist ein Argument, das viele Laien nicht kennen, aber auch viel zu selten ins Bewusstsein gerufen wird: Es ist das Argument der fehlenden Quellen. Es gibt nicht die geringste Spur eines archäologischen oder historischen Beweises für die Existenz einer solchen Quelle. In einer derartig hypothetisch langen Entwicklungsgeschichte und bei einem so reichhaltigen Material an antiker Literatur, das uns aus der Zeit zwischen 1500 und 400 vor Christus heute zur Verfügung steht und bei der man keinesfalls nur mündliche Traditionen annimmt, sollte doch wenigsten in wenigen Fällen eine derartige schriftliche Quelle entdeckt worden sein. Aber der Pentateuch hat keine Vorläufer. Wir kennen den Pentateuch nur als Ganzes. Die Quellen sind die missing links der Pentateuch Forschung. Ausgerechnet die ursprünglich getrennten schriftlichen Quellen, die man annimmt, sind bis heute nicht vorhanden. Eventuell hat man im 18/19. Jahrhundert noch gehofft, irgendeine derartige Quelle zu finden, um die Theorie besser stützen zu können. Die Hoffnungen sind allerdings nicht erfüllt worden. Ein archäologisch-historischer Beweis fehlt bis heute.
Die 4 wichtigsten Argumente des Quellenscheidungs-Modells:
1.Der Wechsel zwischen den Gottesnamen (Elohim und Jahwe)
Das war das erste Argument, das für die Quellenscheidung gebraucht wurde. Man geht davon aus, dass den unterschiedlichen Gottesnamen ursprünglich getrennte Quellen zugrunde lagen, die später zu einer Einheit zusammengefasst wurden, ohne die angeblichen Widersprüche und Spannungen auszumerzen. (Elohist, Jahwist).
Kontra: In anderen antiken Werken kommt ein Namenswechsel ebenfalls vor, obwohl dort die Einheit der Verfasserschaft nicht angezweifelt wird. Warum sollte es in einem hebräischen Text anders sein? Außerdem ist die Aufteilung der Quellen anhand der Gottesnamen oft so künstlich, dass die Kritiker das Prinzip nicht konsequent durchführen konnten; so kommt Elohim in folgenden J-Texten vor: 1.Mose 3,1-5; 31,50 33,5+11, und Jahwe in folgenden E-Texten: 1.Mose 21,33; 22,11+14; 28,17-22. So musste man annehmen, dass der Redakteur die Namen nachträglich verändert hat. Es waren also Konjektionen notwendig, um die Hypothese zu stützen, was in der liberalen Theologie häufig vorkommt. Darüber hinaus bestehen zwischen dem masoretischen Text und der Septuaginta zahlreiche Unterschiede in der Verwendung der Gottesnamen, was die Theorie ebenfalls schwächt. Der unterschiedliche Gebrauch der Gottesnamen kann viel besser so erklärt werden: Die Namen stellen nicht nur Eigennamen dar, sondern bezeichnen verschiedene Eigenschaften Gottes im jeweiligen Kontext. Elohim weist auf Gott als Schöpfer des Universums in seiner Allmacht hin, während Jahwe eher Gott als Bundespartner bzw.in seiner Beziehungsabsicht zu den Menschen zum Ausdruck bringen will.
2.) Duplikate und Parallelgeschichten:
Das war anscheinend eines der am meisten gebrauchten Argument für verschiedene sich widersprechende Quellen. Das bekannteste Beispiel sind die beiden Schöpfungsberichte in 1.Mose 1 und 1.Mose 2. Sowie die sich kreuzenden Geschichten in 1.Mose 6-8 (Sintflutbericht).
Kontra: Die beiden Schöpfungsberichte stammen nicht aus unterschiedlichen sich widersprechenden Quellen, sondern berichten aus verschiedenen Perspektiven. Während der 1. Schöpfungsbericht einen chronologischen Überblick über die gesamte Schöpfungswelt geben will, liegt der Fokus des 2. Schöpfungsberichtes auf den Umständen der Erschaffung des Menschen. Der 2. Schöpfungsbericht stellt also einen kleinen Ausschnitt aus dem „großen“ Schöpfungsbericht dar. Ebenfalls ein Stilmittel, das häufig in antiker Literatur vorkommt. Unter dem Kriterium des Perspektivwechsels in Parallelgeschichten lassen sich die gleichzeitig bestehenden Gemeinsamkeiten und auffallenden Unterschiede ohne weiteres erklären, ohne zwingend eine unterschiedliche Verfasserschaft anzunehmen. Darüber hinaus lassen sich die angeblichen Widersprüche sowohl im Schöpfungsbericht als auch im Sintflutbericht ohne weitere harmonisieren. Bernhard Knieß: „Am besten und detailliertesten hat der Jude Benno Jacob die Einheitlichkeit des Flutberichts begründet. Sein Ergebnis lautet zusammengefasst: 1) Die Widersprüche lösen sich bei genauerem Hinsehen auf. 2) Die sogenannten Dubletten sind inhaltliche Ergänzungen und entsprechen dem hebräischen Stil. 3) Seine Einheitlichkeit zeigt sich am kunstvollen Aufbau und der Existenz bestimmter Zahlenkombinationen.
Im Blick auf die Ähnlichkeiten der Berichte über die Preisgabe der Ahnfrau bei Abraham und Isaak lässt sich sagen: Bernhard Kneiß:
Das häufige Vorkommen ähnlicher Berichte innerhalb der Genesis, der babylonischen Schöpfungs- und Fluterzählung, der Texte von Ugarit und anderer altvorderorientalischer Schriften lässt eher darauf schließen, dass die Zusammenstellung ähnlicher Begebenheiten ein typisch semitisches Stilmittel und somit kompositorische Absicht des Verfassers ist, um mittels Wiederholungen einen Betonungseffekt zu erzielen oder dem Bedürfnis nach Variation nachzukommen. So wundert es nicht, dass Westermann auch dieses Kriterium der Quellenscheidung relativiert und einräumt, dass das Vorkommen von Dubletten und Wiederholungen an sich kein Indiz für die Existenz verschiedener Quellen sein muss.
Angebliche Widersprüche, Anachronismen und Ungereimtheiten
Man meint einen Widerspruch zu erkennen in der unterschiedlichen Namensgebung bestimmter Ortsbezeichnungen, Personen oder Gewohnheiten u.a. (Sinai gegenüber Horeb; Jethro gegenüber Reghuel; In P gibt der Vater den Kindern den Namen, in J und E die Mutter, wobei diese Regel zahlreiche Ausnahmen kenne?!;). Darin sieht man ein Indiz für verschiedene Quellen. Anachronismen (Wörter die eindeutig aus einer anderen Zeit stammen, meist aus einer viel späteren Zeit) Philister in 2.Mo 13,17 Dan in 1.Mose 14,14 und 5.Mose 34,1 und das Land der Hebräer in 1.Mose 40,15. Die Bezeichnungen konnten diese Dinge zum o.g. Zeitpunkt noch nicht gehabt haben. Das Volk der Philister war noch nicht unter diesem Namen bekannt, usw. Wörter, die offensichtlich aus einer späteren Zeit stammen, würden darauf hindeuten, dass das Buch Genesis tatsächlich viel später geschrieben wurde.
Kontra: Es könnte sein, dass diese als jung angenommenen Wörter in Wirklichkeit alt sind, aber nur selten gebraucht wurden und deshalb aus dieser Zeit nicht überliefert sind. Es könnte sein, dass sie tatsächlich spätere Wörter sind und dem Text nachträglich zugefügt wurden, um den Text für den späteren Leser verständlich zu machen, indem man veraltete Wörter oder Ortsbezeichnungen ersetzt hat. Von beiden Möglichkeiten gebe es genügend Beispiele in der Literatur, sagt Eta Linnemann. Das gleiche gelte für sogenannte Aramäismen (also junge Sprachwörter in alten Texten). Eta Linnemann:“ Der größte Teil dieser Aramäismen stellte sich auf Dauer als reines Hebräisch heraus oder könnte es wenigstens sein. Das Argument ist deshalb so gut wie hinfällig.“
Als Ungereimtheit sieht man es an, dass Mose am Ende des 5. Buches Mose seinen eigenen Tod geschildert hätte. Dies ist natürlich kein Problem, da hier vermutlich Josua die letzten Sätze über den Tod Moses angefügt haben könnte. Dies würde in keiner Weise die generelle Verfasserschaft Moses in Frage stellen.
Unterschiede in Thema, Sprache und Stil und Wortwahl.
Auch hier behauptet man, die o.g. Unterschiede würden auf unterschiedliche Quellen hindeuten.
Kontra: Es ist unverständlich, anzunehmen, dass der Verfasser des Pentateuch nicht in der Lage gewesen sein sollte, über verschiedene Themen (Biographien, sittliche Lektionen, Geschlechtsregister, Zählungen, Zeremonien) zu schreiben, wie andere Schreiber antiker und moderner Texte auch? Das gleiche gilt für den Schreibstil. Warum sollte ein gut ausgebildeter (siehe unten) Schriftsteller, wie man es für Mose annehmen kann, nicht über verschiedene Schreibstile verfügen. Außerdem ergibt sich der Schreibstil häufig auch aus dem Thema. Nichts anderes ist auch aus der antiken Literatur bekannt. Was den Wortgebrauch anbelangt, haben Computeranalysen im Pentateuch folgendes ergeben: Dazu Bernhard Knieß: „Nach Radday beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Homogenität von J und E in der Genesis 82{829020f0ca71a38f515c4e1454f4821e0b4f160772efa0a07baea5100c1b91f6}, was ihm Basis genug wäre, mit der Quellenhypothese in der Genesis zu brechen. Die Schwierigkeit des stilistischen Arguments liegt darin, dass Wortschatz, Redewendungen, Erzählstil etc. eines literarischen Werkes von sehr vielen Faktoren abhängen, z.B. dem Stoff, der gewählten literarischen Gattung, Zeitpunkt und Umstände der Abfassung und Intention des Autors.“
Bernhard Knieß:
Schon Goethe bemerkte in seinem “West-Östlichen Diwan” die Gesamtanlage des Pentateuch als literarisches Hauptproblem und zwar in doppelter Hinsicht: Erstens sei das Verhältnis von Geschichte und Gesetz im Ganzen und im Detail so unsystematisch, dass es nur als ein wie immer zu erklärendes längeres Zusammenwachsen verschiedener Textkomplexe historisch und literarisch verstehbar wird. Zweitens seien Erzählstil und Erzähltechnik so vielgestaltig, dass sich dies nicht als Kunstgriff eines einzigen Erzählers oder eben als durch den jeweiligen Gegenstand bedingte Vielfalt erklären lässt. Hierzu ist dreierlei einzuwenden:
a. Wie von Zenger selbst ausführlich dokumentiert wird, ist der Pentateuch in seiner Endgestalt eine planvolle Komposition, was das angeblich unsystematische Verhältnis von Geschichte und Gesetz zumindest relativiert. Hinzu kommt folgende Tatsache: Der überwiegende Teil der Gesetze ist entweder unmittelbar oder mittelbar mit der Gottesoffenbarung am Sinai und der Konstitution Israels verbunden, während andere mit den Berichten über Israels Weg aus Ägypten durch die Wüste Sinai (Ex 12-18) und vom Sinai durch die Wüste zu den Gefilden Moabs (Num. 10-36) kunstvoll verwoben sind.
b. Verschiedene Forscher haben zu Recht angemerkt, dass man ein altes orientalisches Buch nicht in ein modernes, westliches Denksystem pressen könne. Auch die vorgeschlagene Hypothese eines längeren Zusammenwachsens verschiedener Textkomplexe mag zwar in westlichen Ohren des 20. Jhdts. zunächst unverfänglich klingen, steht aber angesichts des jüdischen Verständnisses von Offenbarung, Inspiration, Kanon und Textüberlieferung vor unlösbaren historischen und theologischen Schwierigkeiten.
c. Die Vielgestalt des Erzählstils und der Erzähltechnik erklärt sich hinreichend durch 1) die außergewöhnliche Bildung Moses (Apg 7,22), 2) die Vielfalt der behandelten Gegenstände mit jeweils unterschiedlicher personaler und emotionaler Betroffenheit des Mose, 3) den langen Berichtszeitraum, 4) den orientalischen Stil des Buches mit seiner mehr psychologischen als logischen Erzählstruktur usw.
Ein weiteres hervorragendes Argument gegen die Quellenscheidungstheorie habe ich bei Gerhard Maier gefunden ( In Biblischer Hermeneutik, S. 213.)
Seit der Schulzeit sind die beiden altgriechischen Epen von Homer- Ilias und Odyssee- bekannt. Auch hier hat man gefragt: Können diese beiden Großwerke tatsächlich von einem Verfasser stammen, wenn sie erstens in ihrer Struktur und Erzählweise logische und stilistische Widersprüche aufweisen und wenn zweitens ihre Abfassung nicht mit Hilfe der Schrift erfolgt sein kann, weil es die Schrift zu jener Zeit noch gar nicht gab? Auch hier kam man zu dem Ergebnis, dass die Epen im Laufe einer langen Überlieferung von mehreren Dichtern zusammengetragen wurden. Es wurden 2-20 verschiedene Autoren angenommen, die ihren Beitrag geleistet haben könnten. Die Folge war, dass es im Laufe der Zeit so viele Homere wie Homergelehrte gab. Der Leser wusste am Ende nicht mehr, welcher Homer der echte war. Wo in der Ilias sprach Homer, wo sprach ein Fremder? Oder hatten am Ende doch diejenigen Recht, die in der Uneinigkeit der Analytiker doch den Beweis für das Fehlen objektiver Differenzierungsmöglichkeiten und für die Verfasserschaft eines einzigen Autors sahen. Diesen Vorgang könnte man 1:1 auf den Pentateuch übertragen. Auch hier haben sich im Laufe der Pentateuch-Forschung zahlreiche Wissenschaftler durch Entdeckung immer wieder neuer Quellen hervorgetan, die sich in ihren Ergebnissen widersprachen oder sich gegenseitig neutralisierten. Dass man hier ebenfalls kritisch die Anfrage stellen darf, inwiefern dies noch als Wissenschaft bezeichnet werden kann, wenn man sich so uneinig ist, scheint mehr als berechtigt zu sein. Sollte man hier nicht besser zugeben, dass die Kriterien zur Aufteilung in verschiedene Quellen völlig subjektiv sind und deshalb niemals die Qualität von Wissenschaft erreichen?
Ich möchte nun im Folgenden einige Punkte nennen, die im Gegensatz zum genannten Modell für die mosaische Verfasserschaft und damit für eine viel frühere Abfassung (um 1450) des Pentateuch sprechen. (nach Bernhard Knieß)
- Mose war der Adoptivsohn der Tochter des Pharao. Am ägyptischen Hof genoss er eine der besten Ausbildungen der damaligen Zeit und hatte dadurch Zugang zum gesamten gesammelten Geisteswissen. Dies versetzte ihn methodisch und schriftstellerisch in die Lage, ein derartig großartiges Geschichtswerk zu schaffen.
- Mose war Augenzeuge des Exodus und der Wüstenwanderung und kannte deshalb den größten Teil des Pentateuch 2.-5.Buch Mose aus eigener Anschauung.
- Seine einzigartige geistliche Führungsposition in Israel machte ihn zum geeigneten Empfänger göttlicher Direktoffenbarungen. (Siehe 2.Mose 20-3.Mose27)
Der Schreiber des Pentateuch verfügte über genaue Kenntnisse über Ägypten, seine Geographie, Institutionen, Sitten, Geschichte, Tier- und Pflanzenwelt. Nach dem bekannten Archäologen, W.F. Albright, sei es extrem unwahrscheinlich, dass diese Beschreibungen im Pentateuch eine spätere Erfindung seien.
Der Schreiber des Pentateuch verwendet ägyptische Eigennamen (z.B. Josef und Mose) und Worte, die ursprünglich ägyptische Gegenstände bezeichnen, und später in den hebräischen Sprachschatz übernommen wurden.
Der Autor erzählt aus einem Blickwinkel, der offensichtlich außerhalb Kanaans liegt.
Der Autor kannte das Leben in der Wüste. Genaue Lager- und Ortsbeschreibungen im 4.Buch Mose, die detaillierte Beschreibung der Stiftshütte (2.Mose 35-40) als transportables Zelt, die Angaben der Pflanzen- und Tierwelt der Wüste, die Beschreibungen der Lebensgewohnheiten in der Wüste deuten auf Mose als Verfasser hin, da er nicht weniger als 2 x 40 Jahre in der Wüste gelebt hat. Einmal nach dem Mord an einem Ägypter bei Jethro, seinem Schwiegervater. Einmal bei der Wüstenwanderung seines Volkes.
Bernhard Knieß: Obwohl der Inhalt des Pentateuch einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren umfasst, beschränkt sich 2.Mose 3 bis 5.Mose 34 auf die Schilderung einer Zeitspanne von rund 40 Jahren, die wiederum sehr ungleichmäßig verteilt sind. Der umfangreiche Abschnitt 2.Mose 12,37 bis 4.Mose10,10 reflektiert die ersten 14 Monate nach dem Auszug, innerhalb dessen die 27 Kapitel des 3.Buches Mose (Leviticus) ganze 50 Tage umfassen. Bedenkt man ferner, dass das 5.Buch Mose den Anspruch erhebt, die Reden des Mose in dessen letzten beiden Lebensmonaten zu enthalten, bedeutet dies, dass mehr als die Hälfte des Pentateuch Ereignisse aus nur 16 Lebensmonaten des Mose berichtet. Allein diese inhaltliche Zusammensetzung des Pentateuch spricht stark gegen einen jahrhundertelangen Entstehungsprozess und für Mose als Autor, der Israels Auszug aus Ägypten und die vierzigjährige Wüstenwanderung des Volkes Israels an vorderster Front miterlebte.
Einer der schwerwiegendsten Gründe, die für die mosaische Verfasserschaft spricht, ist folgender Punkt: Der Abschnitt 2.Mose 2,11 bis 4.Mose 34 weist alle Merkmale eines Augenzeugenberichtes auf wie Interesse an chronologischer Abfolge der Geschehnisse, Schilderungen der persönlichen Betroffenheit mancher Akteure, insbesondere natürlich der Hauptfigur selbst, das „Wie“ der Schilderung der Ereignisse, nämlich in lebendiger Art und Weise, und natürlich die Mitteilung zahlreicher Details, die ein späterer Verfasser wohl nicht geschrieben hätte, weil er nicht über ein derartiges Ausmaß an Detailkenntnissen verfügt hätte. Darüber hinaus berichtet 2. Mose 2,11 bis 5.Mose 34 ausschließlich aus der Perspektive von Mose selbst. Er ist nicht nur Hauptakteur fast aller historischen Berichte, sondern auch der Empfänger und Übermittler aller Direkt-Offenbarungen Gottes.
Weitere Beobachtungen stützen den mosaischen Ursprung des Pentateuch:
Der Autor war schriftstellerisch überaus begabt oder sehr gut ausgebildet. Der Text zeugt von hervorragenden literarischen Fähigkeiten des Schreibers. Er verwendet verschiedene Gattungen, Stile, Bilder, Wortspiele usw., was man in der formgeschichtlichen Erforschung gern als Hinweis auf verschiedene Quellen missbraucht. Einem Mose traut man in der Bibelkritik ein derartiges literarisches Niveau nicht zu. Ungewollt wird dadurch die Qualität des Schreibstils Mose erst recht betont.
Bernhard Knieß schreibt dazu: „Interessanterweise unterscheidet sich der Stil des Pentateuch wesentlich von allen anderen Büchern des AT. Sein antiquierter Charakter zeigt sich sowohl in der Semantik und Phraseologie, als auch in grammatikalischen und formalen Eigenarten, was wiederum gegen eine späte Abfassung durch die Hand mehrerer Autoren spricht. Mose dagegen besaß sowohl die schriftstellerischen Voraussetzungen für die Konzeption des Pentateuch, als auch die geistliche Kompetenz für dessen Wirkungsgeschichte.“
Alle genannten Punkte sprechen klar für die Verfasserschaft Moses.
Nun wollen wir fragen, inwieweit das Zeugnis der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch in der Bibel selbst verankert ist?
Der Pentateuch enthält mehrere Stellen, in denen berichtet wird, dass Mose geschrieben hat: 2.Mose 17,14; 2.Mose 24, 4; 2.Mose 34,27; 4.Mose 33,2; 5.Mose 31,9.22.24; ( 1.Josua 1,7)
Bernhard Knieß:
„Besonders der prophetische Charakter des Pentateuch spricht für Mose als Autor. Die Prophetenformel „Und der Herr sprach zu Mose“ (über 150 mal in Ex-Num.) leitet meist umfangreiche Jahweworte mit Mose als alleinigen Hörer ein. Folglich ist es äußerst unwahrscheinlich zu meinen, dass ausgerechnet der größte Prophet des AT (Num. 12,6-8; Dtn. 34,10) diese nur ihm übermittelten Offenbarungen nicht selbst aufgeschrieben haben soll. Am deutlichsten wird dies wohl am Buch Leviticus sichtbar, wo fast alle Kapitel (vgl. Kap 1, 4, 6, 8, 11-25, 27) mit dem Satz beginnen: „Und der Herr sprach zu Mose“ und manche Kapitel ganze Sammlungen solcher Jahwe-Worte enthalten (vgl. Lev 6,1.8. 19.24; 22,1.17.26; 23,1.9.23.26.33). Wie soll diese Fülle komplizierter, gesetzlich-kasuistischer Anweisungen, die innerhalb eines Zeitraumes von nur 50 Tagen geoffenbart wurden, ohne sofortige Niederschrift durch Mose bewahrt und den Priestern, Leviten und dem ganzen Volk Israel gelehrt worden sein? Bedenkt man, dass Lev in der Hauptsache eine Sammlung von Gottesworten darstellt, dann fällt es schwer zu glauben, dass der Prophet Mose dieses Buch nicht geschrieben haben soll. Vielmehr müssen sich die Kritiker die Frage gefallen lassen, wie ein anderer als Mose in der Lage gewesen sein sollte, diese Offenbarungen niederzuschreiben. Dies gilt nun nicht nur für das Buch Leviticus allein, sondern für alle Gespräche zwischen Gott und Mose, z.B. Moses Gebetskämpfe, Opfergesetze, Bundesbestimmungen, Festtagskalender, Anweisungen zum Bau der Stiftshütte usw., die nur Mose wahrheitsgetreu wiedergeben konnte. Die Annahme einer späten und allmählichen Entwicklung des Pentateuch wird dem Offenbarungscharakter, den ein erheblicher Teil des Pentateuch zweifellos beansprucht, keinesfalls gerecht, sondern degradiert diese Stücke, ob gewollt oder nicht, zur frommen Dichtung. Die göttlichen Gesetze sind dann keine göttlichen Gesetze mehr, sondern nur mit einer Botenformel fromm getarnte menschlich-religiöse Einrichtungen, wie wir sie aus der Religionsgeschichte zur Genüge kennen.
Bemerkenswert erscheint mir auch, dass in der gesamten Bibel, egal ob AT oder NT, die Verfasserschaft Moses nicht angezweifelt wird. Man könnte hier eine Fülle von Bibelstellen nennen, die alle selbstverständlich die 5 Bücher Mose auf Mose als Autor zurückführen. Beispielhaft möchte ich hier eine Stelle anführen, die um 612 vor Christus datiert werden kann: 2. Chroniker 34,14: „Und als sie das Geld herausnahmen, das zum Hause des HERRN gebracht worden war, fand der Priester Hilkija das Buch des Gesetzes des HERRN, das durch Mose gegeben war.“
Auch anhand der Analyse der Pentateuchkritik zeigt sich, dass die Ergebnisse der Kritik nicht so sehr von den tatsächlichen Befunden abhängen, sondern viel mehr von den Voraussetzungen. An vielen Stellen gibt es für die ins Feld geführten Argumente auch mindestens gleichwertige Gegenargumente. Schade, dass hier die Diskussion nicht gleichberechtigt geführt wird. Die Kritikwürdigkeit der Kritik wird in der Öffentlichkeit oft unter den Teppich gekehrt. Zwar ist man sich in Theologenkreisen längst über die Schwächen der Quellenscheidung bewusst, nach außen tut man aber so, als wäre das längst bewiesen. In einer aufgeklärten Zeit sollte man die vielfach berechtigen Einwände gegen die Kritik ernst nehmen und zumindest in die Waagschale werfen. Stattdessen werden plausible Alternativen häufig und ganz besonders bei Worthaus mit einem polemischen Unterton abgetan, oder ignoriert. Den konservativen Christen Wissenschaftsfeindlichkeit vorzuwerfen, ist hier fehl am Platz und zeugt von der starken ideologischen Bindung der historischen Kritik. Man klammert sich an Argumente, die nichts anderes sind als sich selbst stabilisierende Hypothesen. Hinzu kommt, dass der Laie, der sich nicht mit den Details beschäftigt, überhaupt nicht beurteilen kann, was hier wirklich wie gut belegt ist. Er bekommt immer nur suggeriert, dass die Ergebnisse der historischen Kritik wissenschaftlich seien, während die konservative Seite unwissenschaftlich sei. Wer möchte heute schon gerne unwissenschaftlich sein? Mir selbst ging es jahrelang so, dass ich in Diskussionen gerne die liberale Seite vertreten habe aus Respekt vor der Wissenschaft. Ein eingehender Blick hinter die Kulissen hat mich eines Besseren belehrt. Zumindest ist mir klar geworden, dass wir vielfach hinters Licht geführt werden. Auf mich jedenfalls als jemand, der sein tägliches Handeln an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert, wirken die oft widersprüchlichen Ergebnisse der Pentateuchforschung mehr als zweifelhaft. Auch kann man die Pentateuch-Forschung als „wunder“-bares Beispiel dafür benutzen, das Verständnis von Wissenschaftlichkeit zu demaskieren und damit zu zeigen, dass dem Wissenschaftsbegriff in der Theologie eine ganz andere Bedeutung zukommt als in der Naturwissenschaft. Wir haben es in der Theologie genauso wie in der Ursprungsforschung des Lebens mit einer historischen Wissenschaft zu tun. Geschichte kann ich nicht empirisch prüfen. Geschichte beruht auf einmaligen vergangenen Ereignissen, die ich nicht experimentell wiederholen kann, wie das in der Naturwissenschaft möglich ist, um die Plausibilität bzw. Beweiskraft einer These zu prüfen. Deshalb kann ich auch in der Theologie nicht von Beweisen sprechen, sondern nur von Wahrscheinlichkeiten. Ernst Troeltsch hat dies in seinen Kriterien der historisch-kritischen Methode sehr schön aufgezeigt. Allerdings hat er eine weltanschauliche Vorbedingung in seinen Herleitungen zugrunde gelegt, eine a priori- Annahme, die heute als überholt gilt. (siehe unter Ernst Troeltsch). Die Pentateuch-Forschung bleibt in dem alten Fahrwasser des geschlossenen Weltbildes verhaftet, in dem alle biblischen Berichte eine menschliche, innerweltliche Erklärung haben müssen. Ein göttliches Eingreifen wird ja kategorisch ausgeschlossen. Dies muss in einem offenen Weltbild zwangsläufig zu falschen subjektiven Ergebnissen führen, wie wir es bei der Pentateuchforschung in eindrucksvoller Weise gesehen haben. Wenn man also die Erkenntnisse der Pentateuchforschung als wissenschaftlich bezeichnet, dann suggeriert man erstens dem Laien gegenüber einer Beweiskraft der Ergebnisse, die in diesem Bereich der Wissenschaft gar nicht möglich ist. Zweitens geht man von apriorischen Vorannahmen ( Gott greift nicht ein) aus, die regelmäßig verschwiegen werden, obwohl sie die Ergebnisse maßgeblich mitbestimmen und drittens fehlt es an sachlicher Objektivität, weil man aufgrund apriorischen Vorannahmen und aufgrund einer intellektuellen Versuchung ( nur wer die Grundkenntnisse der liberalen Theologie anerkennt, hat eine Chance, Karriere zu machen) alternative bibelkonforme Sichtweisen, die nicht weniger wissenschaftlich sind, ablehnt. Das würde bedeuten, es handelt sich um eine Pseudowissenschaft, die sich nicht auf objektive, dem Untersuchungsgegenstand angemessene wissenschaftliche Kriterien stützt, sondern auf weltanschauliche Vorentscheidungen. Jedenfalls kann man sagen, dass der Ruf der Wissenschaft durch die Pentateuchkritik nicht verbessert wird, sondern -im Gegenteil-verschlechtert wird. Lassen wir am Schluss noch einen Mann zu Wort kommen, der sich mit der Frage der Wissenschaftlichkeit in der liberalen Theologie ganz praktisch auseinandergesetzt hat und in selten gekannter Klarheit das Problem der HKT darzustellen vermochte: C.H.Spugeon:
Höre ich jemanden sagen:, Aber man muß sich doch den Schlußfolgerungen der Wissenschaft unterwerfen.‘ Niemand ist bereitwilliger, die augenscheinlichen Thatsachen der Wissenschaft anzunehmen, als wir es sind. Aber was verstehen Sie unter Wissenschaft? Ist das Ding was ‚Wissenschaft‘ genannt wird, unfehlbar? Ist es nicht Wissenschaft ‚fälschlich so genannt‘? (1 Tim 6:20). Die Geschichte jener menschlichen Unwissenheit, die sich ‚Philosophie‘ nennt, ist durchweg identisch mit der Geschichte von Narren, ausgenommen da, wo sie in Wahnsinn abschweift …
…Ich glaube an Wissenschaft, aber nicht an das, was Wissenschaft genannt wird. Keine bewiesene Thatsache in der Natur ist der Offenbarung entgegen. Die hübschen Spekulationen der Anspruchsvollen können wir nicht mit der Bibel vereinigen und wollten es nicht, wenn wir es könnten.
Der phantastische Teil der Wissenschaft, vielen so teuer, ist das, was wir nicht annehmen. Das ist für viele der wichtige Teil der Wissenschaft – der Teil, der bloße Mutmaßung ist, für den die Mutmaßenden mit aller Gewalt fechten. Die Mythologie der Wissenschaft ist ebenso falsch, wie die Mythologie der Heiden; aber diese ist es, woraus ein Gott gemacht wird. Ich sage wiederum, soweit Thatsachen in Betracht kommen, ist die Wissenschaft nie in Widerstreit mit den Wahrheiten der Heiligen Schrift, aber die hastigen Schlüsse, die aus diesen Thatsachen gezogen werden, und die Erfindungen, die als Thatsachen classifiziert werden, sind der Schrift entgegen, und das notwendig, weil Falschheit nicht mit der Wahrheit übereinstimmt. (Charles Haddon Spurgeon)