Wer meint, in der Auseinandersetzung mit der liberalen Theologie gehe es nur um belanglose Randfragen, der irrt sich gewaltig. Immer wieder versucht man den Graben zwischen liberaler Theologie und evangelikaler Theologie einzuebnen mit beschwichtigenden Worten wie, das ist alles gar nicht so entscheidend. Im Kern sind wir uns doch einig. Natürlich gibt es viele Randfragen in der Theologie oder in der Bibel, aber das, worum es in diesem Abschnitt geht, sind keine Randfragen. Auch setzt man sich bei einer Aufarbeitung der liberalen Theologie leicht dem Vorwurf aus, man wolle andere ausgrenzen oder sogar dem anderen den Glauben absprechen, das sei nicht im Sinne Jesu und deshalb abzulehnen. Aus diesem Bewusstsein heraus und aufgrund einer falsch verstandenen Verpflichtung zur Toleranz trauen sich viele nicht mehr, sich gegen die Unwahrheit und gegen Irrlehren zu erheben. Man vergisst dabei meistens, dass die Reformation und viele geistliche Aufbrüche in der Kirchengeschichte wie zum Beispiel die Bekenntnisbewegung im 19. Jahrhundert nicht möglich gewesen wären ohne mutige Christen, die sich gegen den wachsenden Einfluss von falschen Lehren gewehrt haben. Schon zu Zeiten des Apostels Paulus machten sich Irrlehren breit, gegen die Paulus immer wieder vehement seine Stimme erhob. Der Anspruch, die Wahrheit zu verkünden und die Verantwortung, diese gegenüber Irrlehren zu verteidigen, wurde so hoch eingeschätzt, dass Paulus die Irrlehrer sogar verfluchen kann. Gal.1,8: „Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht. Wie wir eben gesagt haben, so sage ich abermals: Wenn jemand euch ein anderes Evangelium predigt, anders als ihr es empfangen habt, der sei verflucht.“ In meinen Ausführungen bisher dürfte auch immer wieder klar geworden sein, wie sich unser Bibelverständnis und damit eng verbunden auch unser Gottesbild verändern, wenn wir beginnen, die Denkvoraussetzungen der liberalen Theologie zu übernehmen. Liberale Theologie verändert unser ganzes Denken. Erinnern wir uns noch an den kleinen Finger, von dem Ernst Troeltsch spricht, wenn er das Potential beschreibt, mit dem die liberale Theologie unser ganzes Denken einnimmt. Deshalb können wir nicht einfach um des lieben Friedens willen schweigen zu dem, was läuft. Wer schweigt, fördert das, was zugange ist. In der liberalen Theologie findet nicht nur eine Renovierung statt, sondern eine radikale Zerstörung des alten Lehrgebäudes. Dies geschieht allerdings langsam, aber stetig und so, dass es von vielen kaum bemerkt wird. Ähnlich wie bei einem Frosch, den man ganz langsam wachsenden Wassertemperaturen aussetzt, sodass er es erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Spätestens bei den folgenden Themen sollte es uns allen wie Schuppen von den Augen fallen, was passieren kann und auch tatsächlich passiert!
In einem Worthaus-Vortrag bezieht Prof. Thomas Breuer Stellung zur Kreuzestheologie: Er beginnt mit den Worten: „Heute geht’s ans Eingemachte“. … Jesu Tod an sich ist sinnlos. Erlösend ist nicht der Tod am Kreuz, erlösend ist allein die Liebe Gottes. Ein Gott, der gleichzeitig seinen Feinden vergibt und Menschenopfer für die Vergebung braucht, wäre schizophren“. Die traditionelle Kreuzestheologie wird heutzutage zunehmend auch von wichtigen Kirchenvertretern in Frage gestellt. So auch von dem katholischen Erzbischof Zollitsch aus Freiburg, der sich öffentlich dazu bekennt, die Lehre vom Sühnetod Jesu abzulehnen. Oder auch Nikolaus Schneider, ein ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender und evangelischer Pfarrer, der sich kritisch zur Sühnetodtheologie geäußert hat. Prof. Zimmer bei Worthaus: „Abendmahl ist die Zuwendungslust und Mitteilungsfreudigkeit Gottes“. Konsequenterweise müssen die Theologen, die mit der Sühnetheologie nichts anfangen können oder wollen, auch behaupten, dass die Einsetzungsworte: „Dies ist mein Leib, für Euch gegeben, …dies ist mein Blut für Euch vergossen“, Jesus von der nachösterlichen Gemeinde in den Mund gelegt worden sind. Andernfalls würden sie mit ihrer Ablehnung Jesus selbst widersprechen. Das wiegt natürlich schwerer, als Paulus zu widersprechen.
Aber es kommt noch schlimmer:
Klaus- Peter Jörns: ( In den neuen Gesichtern Gottes) einer Umfrage zufolge: „Nur 50 {829020f0ca71a38f515c4e1454f4821e0b4f160772efa0a07baea5100c1b91f6} der Pfarrer glauben, dass die Kreuzigung was mit Erlösung zu tun hat.“
Hierbei muss man wissen: Klaus Peter Jörns ist ein liberaler Theologe. Die obengenannte Aussage ist also keine böse Verleumdung durch Evangelikale. Diese Umfrageergebnisse wurden im wichtigsten evangelischen Zeitschriften-Magazin, Chrismon, veröffentlicht. Das Erschreckende daran ist, dass es keinerlei Aufschrei daraufhin gegeben hat. Jörns vermutet selbst, dass es deshalb kaum Gegenreaktionen gegeben hat, weil sich viele Pfarrer in diesem Bild wiedererkannt haben. Um noch einen wichtigen Kommentar zu bringen: Chrismon: Prof. Klaus-Peter Jörns: „Wer Jesus diese Gottesliebe glaubt, dem bleiben die alten Kreuzes- und Abendmahlslieder beim Singen im Halse stecken. Sehr viele Pfarrerinnen und Pfarrer empfinden es als Qual, aus den für die Passionszeit vorgesehenen Liedern und biblischen Lesungen etwas für die Gottesdienste auszuwählen. Sie wollen keine Sühneopfertheorie mehr reproduzieren, die auf den Kopf stellt, was sie von Jesus und seiner Verkündigung wissen….. eine solche ( Sühneopfer) Deutung ist zeitbedingt, ein glaubensgeschichtliches Dokument, kein für immer gültiges Glaubensgesetz.“ Ganz sicher bleiben manchem Leser dieser Sätze die Worte im Hals stecken. Mancher mag sie wohl zweimal lesen, um sicher zu sein, dass er hier richtig gelesen hat. Ja aber, es stimmt: Die Sühneopfertheologie wird heute dem modernen Wahrheitsbewusstsein geopfert. Man will nicht an einen Gott glauben, der durch den Tod seines eigenen Sohnes eine Sühne für die Menschheit schafft. Was die Bibel dazu sagt, mag zwar eindeutig sein, aber was der moderne Mensch davon hält, mag genauso eindeutig sein, nämlich nichts. Er fühlt sich autorisiert, eine Jahrtausende geltende grundlegende Wahrheit abzulehnen und damit sich auch offen gegen das in der Heiligen Schrift geoffenbarte Heilsangebot Gottes zu stellen. Mehr Rebellion, mehr antichristliche Irrlehre geht nicht Es ist erschreckend, wie offen heutzutage in der liberalen Theologie grundlegende Glaubenswahrheiten in Frage gestellt werden. Gleichzeitig zeigt die Dogmatik und die Heilslehre hier ihre Abhängigkeit vom prinzipiellen Bibelverständnis. Das liberale Bibelverständnis ist der Ausgangspunkt für eine derartige fehlgeleitete Kreuzestheologie. Wenn eine Rechnung am Anfang falsch ist, dann wird man am Ende kein richtiges Ergebnis erwarten können. Deshalb ist es so wichtig, die Denkvoraussetzungen der historisch- kritischen Theologie zu kennen und zu prüfen. Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. Es macht keinen Sinn, die historisch- kritische Methode als hilfreiches Instrument der Bibelauslegung zu streicheln und das antichristliche Ergebnis am Ende wirksam bekämpfen zu wollen. Nicht nur das Ziel ist verkehrt, sondern der Weg dorthin ist schon falsch. Wir sollten endlich aufhören, so zu tun, als könnte man den evangelikalen Weg und die liberale Sichtweise gleichwertig nebeneinanderstellen. Beide Wege könnten gegensätzlicher nicht sein. Das sollte man sich bewusst machen, um nicht in die fromm verbrämte, christlich motivierte Toleranzfalle zu tappen.
Nun wird mancher versucht sein zu sagen: Diese Ablehnung der zentralen Sühneopfertheologie ist ja auch ein Extremum und wird vermutlich auch nur von radikalen liberalen Theologen vertreten. Dass dies ein bedauerlicher Irrtum ist, habe ich vor kurzem erfahren. Die Kommentare zu diesem Thema in einem im Juli 2021 erschienen Buch (Glauben, lieben, hoffen) aus der freikirchlichen Szene geben traurigen Aufschluss darüber. 12 freikirchliche Pastoren und ein Theologieprofessor an der theologischen Hochschule Ewersbach (FEG) haben darin ihre liberale Einstellung zum Ausdruck gebracht. Beim vorliegenden Thema stellt der Autor die Opferfunktion des Kreuzestodes Jesu folgendermaßen in Frage: »Jesus hat am Kreuz für uns Menschen die Schuld gesühnt, obwohl eigentlich wir den Tod verdient hätten.« So oder ähnlich kann man es oft hören. … Stellvertretend tritt Jesus in die verhängte Strafe ein und nimmt sie auf sich. So sühnt er unsere Schuld. Lange und wirkmächtig hat diese Vorstellung die Verkündigung des Evangeliums in der Kirche geprägt. Durch eine falsche Voraussetzung hat diese Vorstellung lange eine Fehldeutung erfahren. Es entsteht das Missverständnis, dass nicht die Menschen die Sühne bräuchten, sondern Gott. … Dieses Motiv gehört eng mit der Sühne- und Gerichtsvorstellung zusammen. Jesus tritt stellvertretend für uns ein und nimmt die Konsequenzen unserer Sünden auf sich. Probleme bereitet die Vorstellung, dass Stellvertretung manchmal als Übernahme von Strafe interpretiert wird. … Der Opferbegriff wird im Neuen Testament stellenweise für das Kreuz Jesu in Anspruch genommen – und das, obwohl Jesus durch die Römer hingerichtet worden ist und sein Tod in keinem religiös-rituellen Kontext stand.“ (S. 180-183). Die Sühne- und der Opferaspekt werden hier nicht so radikal abgelehnt, wie im obigen Text von Prof Jörns, doch man spürt auch hier die distanzierende Tendenz des Autors zu dieser Theologie. Wenn man das Buch liest, erkennt man jedoch an vielen Stellen, dass diese freikirchlichen Pastoren die Denkvoraussetzungen der liberalen Theologie verinnerlicht haben und offen propagieren. Wunder und die leibliche Auferstehung werden genauso in Frage gestellt wie Prophetie. Wer also einen Schnellkurs in liberaler Theologie machen möchte, der kann dieses Buch lesen. Erschreckend nur, dass die liberale Theologie hier von freikirchlichen Pastoren vertreten wird. An der Stelle will ich erneut auf Dr. Markus Till hinweisen, der sich mit diesem Buch auseinandergesetzt hat und dazu einiges schreibt in seinem blog: Aufatmen in Gottes Gegenwart. Außerdem kann ich das Buch von Dr. Markus Till- „Zeit des Umbruchs“- empfehlen, in dem er auch die neue Theologie der Ablehnung der Sühneopfertheologie unter die Lupe nimmt.
Wenn man diese Kommentare zur Sühneopfertheologie liest, bekommt man vielleicht den Eindruck, dass die Argumentationsweise und der Verweis auf die Liebe Gottes ganz eingängig und fromm sind. Wer die Sühneopfertheologie ablehnt, muss sich bewusst sein, dass er sich nicht nur gegen ein altes Dogma der Kirche auflehnt. Er unterstellt damit Paulus ein falsches Kreuzesverständnis, doch nicht nur Paulus, sondern allen anderen Aposteln, Martin Luther, allen Reformatoren, vielen Kirchenvätern und christlichen Liederdichtern, den Bekenntnisbewegungen, dem Pietismus, den Erweckungsbewegungen und vielen Pfarrern auch heute. Eine derartige diametral dem Evangelium entgegengesetzte Sicht ist nur durch die Brille der historisch-kritischen Theologie denkbar. Der Theologe Werner Thiede spricht vom Kernbestand und innersten Heiligtum aller großen Konfessionen. Markus Till schreibt dazu: „Wer die Kreuzestheologie ändert, verpasst dem Christentum keinen neuen Haarschnitt- er nimmt eine Herztransplantation vor.“ Hier gibt es nichts mehr zu lachen. Die Ablehnung der biblischen Sühneopfertheologie stellt sich offen gegen Gottes Rettungshandeln. Welche Anmaßung, zu meinen, wir wüssten es besser, wie Gott uns unsere Schuld vergibt. Wir hätten es wohl lieber, wenn Gott auf uns zukäme und einfach sagen würde, Schwamm drüber. Die Dornenkrone Jesu Christi ist uns ein Dorn im Auge. Das Bild von einem zornigen Gott, der Sühne für unsere Vergehen fordert, gefällt uns nicht, deshalb hängen wir es einfach ab. Mir kommt das vor wie ein Angeklagter vor Gericht, der selbst über die Art der Strafe für seine Schuld verfügen will. Im Kreuzestod kommt nicht nur Gottes Liebe zum Ausdruck, sondern auch seine Heiligkeit und Gerechtigkeit. Wer Jesu Tod als Sühne für uns Meschen ablehnt, macht Gott zu einem guten alten Opa mit Rauschebart, der nicht mehr so genau hinschaut. Das ist der Grund, warum viele liberale Theologen auch mit dem Alten Testament nichts mehr anfangen können, weil hier Gott oft als richtender Gott auftritt. Allerdings würden wir ohne AT dem Kreuz einen Balken abbrechen. Gott weiß, warum er vor das Kreuz die Zeit des Alten Testamentes gesetzt hat. Das Kreuz zeigt, wie schwer Sünde und Schuld vor Gott wiegen. Seine Liebe am Kreuz und den Wert der Vergebung kann ich nur ermessen, wenn mir die Schwere meiner Sünden vor Gott bewusst werden. Genau das will Paulus den Römern in den ersten Kapiteln seines Briefes sagen. Gottes Liebe und Gottes heiliger Zorn, die im Kreuz verbunden sind, sind der Schlüssel zum Verständnis der Rechtfertigung. Wer den heiligen Zorn Gottes streicht, hat die Rechtfertigungslehre, wonach der Mensch allein durch Glauben gerettet wird, nicht verstanden. Wir können diese beiden Komponenten des Kreuzes genauso wenig trennen, wie wir Jesu göttliche Natur von Jesu menschlicher Natur trennen können. Man sieht hier ein weiteres mal, wie die historisch kritische Theologie wichtige Zusammenhänge der gesamten Heilslehre zerstört. Um an diesen Kern des Evangeliums ranzukommen, muss die liberale Theologie allerdings vorher viele andere diesen Kern umgebende Wahrheiten zerstören. Der Entscheidende Schlag gegen das Zentrum der guten Botschaft kann nur gelingen, wenn ich vorher die Echtheit vieler Evangelien-Texte und die Authentizität der Briefe im NT ausreichend unglaubwürdig gemacht habe. Andernfalls würde ein liberaler Theologe, der die Sühnetheologie leugnet, sich dem vernichtenden Urteil Gottes in Galater 1 aussetzen, ähnlich einem Politiker, der dem schlechten Urteil über seine Politik dadurch entkommt, dass er seinen Kontrahenten vorher unglaubwürdig macht. Um dies nochmal deutlich vor Augen zu führen, möchte ich Römer 3 zitieren. Man wird diese Verse, die stellvertretend für viele ähnlich lautende Verse der Bibel stehen, nochmal mit einer ganz anderen Wahrnehmung lesen:
„Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt zur Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden in der Zeit der Geduld Gottes, um nun, in dieser Zeit, seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.“ 2.Petrus 2:1: Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch sein werden, falsche Lehrer, die verderbliche Irrlehren einführen und verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat…
Was heißt erkauft? Er hat für uns bezahlt. Er hat einen Preis bezahlt, und zwar den des eigenen Todes! 1.Johannes 2:1: Und er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. Hier wird doch eindeutig klar, dass die Sühneopfertheologie keine Erfindung von irgendwelchen blutrünstigen, rachesüchtigen Christen im Frühchristentum oder gar im Mittelalter war, sondern ureigenste christologische Lehre der Bibel. Jesus selbst hat sie eingeführt im Abendmahl kurz vor seiner Kreuzigung. Da mag unser modernes psychologisch motiviertes Verständnis von Schuld und Vergebung oder unser liberal kontaminiertes Gottesbild noch so sehr seine Bedenken anmelden, nach den Aussagen der Bibel starb Jesus am Kreuz, um für unsere Schuld zu bezahlen. Wenn das nicht mehr gilt, dann gilt nichts mehr, dann kann ich einpacken und die Bibel aufgeben. Wenn ich eine derartig eindeutig in der Heiligen Schrift verankerte Wahrheit nicht mehr stehen lasse, worauf kann ich dann überhaupt noch bauen. Glauben denn die Vertreter der Kreuzes-ablehnungstheologie tatsächlich, sie wüssten besser, wie Gott Schuld vergibt? Im Vertrauen auf diese Sühne hat auch Ludwig Graf von Zinzendorf das Lied geschrieben: „Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid“ oder ein anderes Lied von Johann Heerman: „Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen? Ach, meine Sünden haben dich geschlagen. Ich mein Herr Jesu, habe dies verschuldet, was du erduldet. Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe! Der gute Hirte leidet für die Schafe. Die Schuld bezahlt der Herr, der Gerechte, für seine Knechte.“
John Stott schreibt dazu: „Wir müssen an der biblischen Offenbarung des lebendigen Gottes festhalten, der das Böse hasst, von ihm angewidert und erzürnt ist und sich weigert, sich jemals damit abzufinden. Doch dem modernen Menschen sind diese Gedanken fremd. Die Art von Gott, die den meisten Menschen heute genehm wäre, würde unsere Übertretungen gelassen tolerieren. Er wäre sanft, freundlich, entgegenkommend und hätte keinerlei heftige Reaktion. Unglücklicherweise scheinen wir selbst in der Kirche die Vision der Majestät Gottes verloren zu haben. Es gibt viel Seichtigkeit und Leichtfertigkeit unter uns… . Nur wer die Größe des Zorns kennt, wird von der Größe des Erbarmens überwältigt.“
Beim vorliegenden Thema wurde mir einmal mehr bewusst, wie das eigene Denken und das subjektive menschliche Empfinden zum Maßstab für die Beurteilung von Glaubensinhalten gemacht wird. Nicht was in der Bibel eindeutig steht, ist der Maßstab für mein Denken und Handeln, sondern was mir mein modernes Empfinden sagt. Wenn mich die Kreuzestheologie von Paulus stört, dann muss ich sie mir eben gefügig machen. Mit einem wahnsinnigen Überlegenheitsgestus erlaube ich mir, im Neuen Testament gut verankerte und jahrhundertealte Glaubensinhalte über Bord zu werfen und sie dem vermeintlich fortschrittlichen Denken unserer Zeit zu opfern.
Zuletzt die berühmten Sätze von Paulus an die Korinther in 1. Kor 1:18:„Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden ist es eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben (Jesaja 29:14) Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen. Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt, selig zu machen, die daran glauben.
An der veränderten Kreuzestheologie zeigt die liberale Theologie ihr wahres Gesicht. Sie macht in Wirklichkeit vor nichts Halt, was ihr an umfassend bezeugten und gut verankerten biblischen Glaubensinhalten im Weg steht. Keine Wahrheit ist ihr so heilig, dass man sie nicht mit scheinbar frommer Motivation in den geistlichen Müll werfen könnte. Eine Sache, die an der Ablehnung der Sühnetheologie auch sehr schön erkennbar ist: Hat man erst mal angefangen, Teile der Bibel als heute nichtmehr tragbar zu entfernen, wie die Strafgerichte im AT, dann lassen weitere Verluste auch von neutestamentlichen Wahrheiten nicht lange auf sich warten. Warum ist das so? Weil die Kreuzestheologie auf das gesamte AT, angefangen vom Sündenfall bis zur Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft, aufbaut.
Allversöhnung = Apokatastasis
Das ist kein ausschließlich in der historisch kritischen Theologie angesiedeltes Thema. Es gab auch namhafte, einflussreiche pietistische Pfarrer, wie Johann Albrecht Bengel (gest. 1752), die an eine Allversöhnung geglaubt haben. In neuerer Zeit ist Karl Barth zu nennen oder Hans Joachim Eckstein, die die Lehre von der Allversöhnung vertreten. Nach meiner Einschätzung gibt es 2 Arten einer Allversöhnung: 1.Alle Menschen kommen gleich nach dem Tod in den Himmel. 2. Nach einer Zeit der Strafe kommen schließlich auch die zu Lebzeiten Ungläubigen in den Himmel. Für beide Versionen der Allversöhnungslehre gibt es in der Bibel kaum Anhaltpunkte. In der Bibel ist die Lehre vom Straf-Gericht und von der Hölle durch viele Aussagen von Jesus und den Aposteln gut verankert. Die Sprache von Rettung und Verlorenheit sowie von Verdammnis, die vor allem auch Jesus gebraucht, wäre sinnlos, wenn es diese Welten nicht gäbe. Dass sich dieser Sprachgebrauch nur auf das diesseitige Leben bezieht, wie manchmal behauptet wird, ist auch nicht denkbar, weil diese Zustandsbegriffe häufig dem Himmel oder dem ewigen Leben bei Gott gegenübergestellt werden. Ich möchte jetzt keine differenzierte Betrachtungsweise der Allversöhnungslehre hier liefern. Mein Thema ist die Stellung der historisch- kritischen Theologie zu diesem Thema. Nach meiner Einschätzung gehört die Allversöhnungslehre zu den Kennzeichen der liberalen Theologie. Um es noch etwas schärfer zu sagen: Die liberale Theologie hat die Lehre vom doppelten Ausgang des Gerichtes bzw. von der Hölle aus ihrem Predigtarsenal gestrichen. Es dürfte schwer sein, unter den liberalen Theologen, noch einen zu finden, der eine Höllentheologie vertritt. Hierzu gibt es einen guten Vortrag von Bibel und Bekenntnis von einem Schweizer Professor, den ich sehr empfehlen kann. Die Organisation -Bibel und Bekenntnis- weiß natürlich, warum sie einen Vortrag zu diesem Thema auf die Agenda setzt. Weil die Predigt über dieses Thema in der Kirche allgemein nicht mehr präsent ist. Für die liberale Theologie ist es meistens ein rotes Tuch. Warum, weil es wieder das von der Aufklärung geprägte menschliche Empfinden extrem stört. Prof. Zimmer dazu: „Es gibt keine wie auch immer geartete Hölle, der Glaube an eine ewige Verdammnis zeuge von einem eiskalten Glauben und primitiver Moral. Der Teufel sei (sehr wahrscheinlich) keine Person. Wer in der Schlange im Schöpfungsbericht den Teufel erkennt, sei balla balla“ aus Markus Till unter Worthaus, universitäre Theologie für Evangelikale? Die liberale Theologie hat es schon längst geschafft, es aus dem Kern der Botschaft von Jesus zu entfernen. Sünde, Schuld, Sühne, Strafe sowie Hölle und Verdammnis gehören nicht mehr zum Vokabular der liberalen Theologie. Meist kommt dann das Argument, man dürfe doch den Menschen keine Angst machen. Niemand könne doch wollen, dass Menschen aus Angst sich an Jesus wenden. Sätze wie:“ Das Evangelium sei doch keine Drohbotschaft, sondern Frohbotschaft“, werden hier ins Feld geführt. Das ist so, wie wenn man einem Arzt schändliche Angstmacherei vorwerfen wollte, wenn er einen Raucher auf die schädlichen Folgen des Rauchens hinweisen würde. Ich will nicht ausschließen, dass man dieses Thema in der Kirchengeschichte missbraucht hat, um Bekehrungsunwillige unter Druck zu setzen. Heute fallen wir allerdings ins gegenteilige Extrem und übersehen allzu leicht, dass Jesus hier kein Blatt vor den Mund genommen hat. Über die Methoden der Evangelisation kann man sich streiten, aber zu behaupten, die Hölle und der Teufel sei ein Relikt aus dem Mittelalter und gehöre zur Geister- und Wunderwelt des Neuen-Testamentes, das man getrost streichen kann, ist nach meiner Einschätzung fatal. Dass dieses Thema verschwiegen wird, hängt überwiegend damit zusammen, dass man nicht glauben will, dass es diese Dinge gibt. Die liberale Theologie hat ihren Schülern ausgeredet, dass es eine Verdammnis gibt. Die Lehre von der ewigen Verdammnis passt nicht in das Bild von Jesus, das man mit der historischen Kritik gemalt hat. Natürlich kann man alle Stellen im neuen Testament über dieses Thema mit Hilfe der selbstgewährten Freiheit in der Bibelkritik ohne weiteres als unecht erklären und der Gemeindebildung in die Schuhe schieben. Man erinnere sich an den Satz von Prof. Klaus Berger: „Das Unechte ist meist das Unbeliebte“. Wenn es die Verdammnis aber doch gibt, dann machen wir einen schweren Fehler, dann ist das im höchsten Grad verantwortungslos. Wenn ich mein Kind nicht warne vor den schlimmen Gefahren einer Giftflasche im Kellerregal, dann mache ich mich mitverantwortlich, wenn was passiert. Markus Till vergleicht die höllenlose liberale Theologie mit einer Firma, die Rettungsringe produziert, die nicht schwimmfähig sind. Man wirft Ertrinkenden diese Rettungsringe zu. Die Lehre von der Allversöhnung, wonach alle Menschen durch die Vergebung unabhängig von ihrem Glauben gerettet werden, ist die furchtbarste Botschaft, die man sich denken kann. Wir kennen die Geschichten, in denen irgendwelche selbsternannte Wunderheiler Krebskranke von einer kurativen (lebensrettenden) Behandlung abhalten. Es ist wie ein Kfz-Mechaniker, der die Reifen eines Kunden wechselt, dabei die Schrauben aber nicht anzieht und ihn dann mit dem Auto losschickt in der Gewissheit, das alles in Ordnung ist. Wichtig ist auch, zu unterscheiden zwischen Drohung und Verdammung. Eine Drohung ist etwas anderes als jemand konkret zur Hölle zu verdammen. Eine Drohung hat die Funktion der intensiven Mahnung, wobei uns immer bewusst sein sollte, dass nicht wir Menschen das letzte Urteil sprechen, sondern Gott. Das ist gemeint, wenn Jesus sagt, dass wir nicht richten sollen oder wenn Paulus den Korinthern sagt, dass sie nicht vor der Zeit richten sollen. 1.Kor4,5: „Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen wird. Dann wird auch einem jeden von Gott Lob zuteilwerden.“ Das ändert aber nichts daran, dass Paulus zwei Kapitel später Kriterien nennt, die vom Reich Gottes ausschließen. ( Lasterkatalog: 1.Kor 6.9 ff). Für den modernen Leser klingt das zunächst hart und schlägt genau in die Kerbe der Drohbotschaft. Liest man aber die ganze Stelle mit Vers 11, dann wird hier auch der Weg zum Heil deutlich gemacht. Paulus bleibt nicht bei der Drohung stehen, sondern zeigt die Lösung: (1.Kor 6,11) „Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.“ Jesus wäscht rein. Jesus rettet von der Verdammnis. Eine Drohbotschaft ist nur dann brutal, wenn sie einem überbracht wird, der keine Chance zur Umkehr hat. Doch bei Jesus gibt es keine Menschen, die nicht umkehren könnten. Insofern ist die Drohbotschaft in Wirklichkeit eine dem eigensinnigen Menschen angemessene Liebesbotschaft. Sie ist das Werben um die notwendige Umkehr zu Jesus mit verstärkten Mitteln der Ernsthaftigkeit.
Ähnlich ist es mit der Angst. Die Rede vom Strafgericht ist keine Angstmacherei. Angstmacherei wäre sie, wenn sie keinen realen Bezug hätte. Das Neue Testament macht aber unzweideutig klar, dass es ein Gericht geben wird, und zwar für die, die es ignorieren oder leugnen. Johannes 3, 18: „Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Der Weg aus dem Gerichtsurteil Gottes ist nicht etwa, die Ernsthaftigkeit der Folgen herunterzuspielen, sondern die Folgen ernst zu nehmen und seine Vergebung in Anspruch zu nehmen. Das ist mit Glauben an den Namen des eingeborenen Sohnes gemeint, der für die gesamte Heilsbedeutung Christi steht. Deshalb warnt Jesus und das NT so eindringlich vor Ignoranz oder Arroganz der einfachen Botschaft der Bedürftigkeit der Buße gegenüber. Sie wegzulassen bedeutet, jemand sich selbst zu überlassen. Gott kennt den Menschen zu genau, als dass er nicht wüsste, dass er viele Taten nur aus Angst lässt. Man könnte auch sagen: Angst ist ein lebensnotwendiges Gefühl, das uns schützt vor den Bedrohungen des Lebens. Abgesehen von krankhafter oder übersteigerter Angst ist sie ein wichtiger Faktor, um unbeschadet leben zu können. Dass ich beim Fahrradfahren einen Helm trage, ist der Angst vor einer schweren Kopfverletzung geschuldet. Aber auch bei großen politischen Entscheidungen steht die Angst vor einer Bedrohung im Hintergrund. Klaus Berger führt hier als Beispiel den Atomausstieg an. „Er wurde vollzogen, weil Menschen Angst bekommen haben, dass es ihnen bald so ergeht wie den Menschen in Fukushima/Japan.“ Nicht die theoretische Einsicht bescherte den Ausstieg, sondern die sehr konkrete Angst. Und alles Angst machen hat immer den Sinn, noch größere Katastrophen zu verhindern. So ist das Angstmachen eine konkrete Form der Liebe, eben dann, wenn gutes Zureden und theoretische Einsicht nichts helfen, weil Menschen immer wieder vor allem um ihren Besitz fürchten; um diesen zu sichern, warten sie oft, bis es zu spät ist.- Und so ist es auch mit der Allversöhnung.“ Eine angstfreie Allversöhnung zu predigen wäre angesichts des klaren biblischen Zeugnisses vom Endgericht verantwortungslos. Es wäre um ein Vielfaches verantwortungsloser, als die Gefahren der Atomenergie herunterzuspielen. Man würde doch dem Alpenverein nicht Angstmacherei vorwerfen, wenn sie einen auf Wanderkarten vor den Gefahren mancher Strecken warnen. Genauso wenig kann man der Heiligen Schrift vorwerfen, dass sie uns vor den Konsequenzen unseres sündhaften Handelns warnt und auf die Rettung vor diesen Konsequenzen hinweist. Insofern kann man die Predigt vom Endgericht nicht eliminieren, ohne die Notwendigkeit der Umkehr zu verlieren und dadurch den Weg zum ewigen Leben zu verfehlen. Gerade durch das Aufzeigen der Gerichtskonsequenz ergibt sich der hohe Wert und die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu. Auf diesem Hintergrund schreibt Paulus an die Philipper 2,12 dass wir mit Furcht und Zittern danach streben sollen, selig zu werden. Oder deshalb sagt Jesus selbst: Matth 10,28: „Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet viel mehr den, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.“ Wir merken also, es geht hier nicht um eine psychologisch kontaminierte Angstdiskussion, sondern es geht um reale Bedrohungen, vor denen uns die Bibel in konkreter Weise aber nie ohne den warmen gewinnenden Unterton warnt. In Philipper 2,13 heißt es: „…denn Gott ist es, der beides vollbringt das Wollen und das Vollbringen“, und in Matth. 10,29f : „Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Haupt alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid kostbarer als viele Sperlinge.“ In der Bibel baut die Einladung zur Bekehrung immer auf dem Ernst des Verlorenseins auf. Gerade weil es um alles geht, nämlich um das ewige Leben, gebraucht die Bibel das harte Wort. Es gibt einen klaren Grund, warum die Bibel nicht darauf verzichten kann, mit kräftigen Worten unsere Angst anzusprechen. Das ist unser Eigensinn und unsere Scheinunabhängigkeit. Der Mensch und ganz besonders der aufgeklärte Mensch der Neuzeit will sich von niemand etwas vorschreiben lassen. Er weiß alles immer besser. Und vor allem hat er es aus eigener Kraft mithilfe des liberalen Bibelverständnisses geschafft, die Bedrohung durch ein Verlorensein, was man auch Hölle nennen kann, abzuschaffen. Ohne Hölle keine Angst, ohne Gericht keine Schuld, ohne Verdammnis keine Notwendigkeit zur Umkehr mehr. Die Allversöhnung klingt verlockend, weil sie unser eigentliches unangenehmes Problem, nämlich die Sünde, theologisch eliminiert. Sie ist wie die Binde, die ich anlege, um keine Angst mehr haben zu müssen vor dem Absturz.
Viele Christen auch in evangelikalen Kreisen überlegen sich krampfhaft, wie sie den Glauben schmackhaft machen können. Lebenshilfe, ein neues Selbstwertgefühl, Halt im Leben, neue Gemeinschaft in der Gemeinde, alles Dinge, die man durch Jesus bekommen kann, allerdings brauchen das viele Menschen gar nicht, weil sie diese Werte auch ohne Jesus besitzen. Zumindest in den reichen Ländern. Über das, was sie nicht haben, aber auch brauchen, nämlich das ewige Leben, schweigen wir. Was sage ich den Menschen, die in muslimischen Ländern zu Jesus kommen wollen. Wenn die zum christlichen Glauben übertreten, dann verlieren sie alle oben genannten Werte. In der westlichen Welt bieten wir Menschen Antworten auf Fragen an, die sie gar nicht stellen. Die frohe Botschaft besteht nicht in erster Linie darin, dass ich den Leuten eine Antwort auf Fragen zur Zufriedenheit im Leben anbieten kann, zumal manche Probleme erst mit dem Glauben beginnen, sondern dass sie gerettet werden für Zeit und Ewigkeit. Der Glaube ist kein Wellnesshotel, in dem ich für eine begrenzte Zeit entspannen kann. Die wichtigste Frage im Leben ist: Wie komme ich in den Himmel? Da haben wir Christen eine Antwort darauf. Zuerst muss ich allerdings sagen, dass sie ohne Jesus verloren gehen. Joh.3,16: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Nach Rettung kann ich nur fragen, wenn es ein Verlorengehen gibt. Die Rede von der Rettung macht nur vor dem Hintergrund einer drohenden Katastrophe Sinn. „Ich bin gekommen, um zu retten, was verloren ist.“ Könnte es sein, dass sich deshalb so wenig Menschen heute bekehren, weil sie die Notwendigkeit nicht mehr sehen. Die historisch kritische Theologie hat hier einen großen Beitrag dazu geleistet.
Dietrich Bonhoeffer schreibt dazu:
Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf geht heute um die teure Gnade. Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderten Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird; Gnade ohne Preis, ohne Kosten. … Wer sie bejaht, der hat schon Vergebung seiner Sünden. … In dieser Kirche findet die Welt billige Bedeckung ihrer Sünden, die sie nicht bereut und von denen frei zu werden sie erst recht nicht wünscht. …Das ist billige Gnade als Rechtfertigung der Sünde, aber nicht als Rechtfertigung des bußfertigen Sünders, der von seiner Sünde lässt und umkehrt. … Billige Gnade ist die Gnade, die wir mit uns selbst haben. Billige Gnade ist Predigt der Vergebung ohne Buße, ist Taufe ohne Gemeindezucht, ist Abendmahl ohne Bekenntnis der Sünden, ist Absolution ohne persönliche Beichte. Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge, Gnade ohne Kreuz, Gnade ohne den lebendigen, menschgewordenen Jesus Christus.
Auch zu Zeiten von Bonhoeffer war die billige Gnade bzw. die Allversöhnung ein großes Thema. Wer heute genau hinhört, vernimmt überall den Flüsterton der billigen Gnade. Menschen werden angesprochen, aber nicht herausgefordert. Menschen werden mit dem Weihrauch der Allversöhnung benebelt, statt sie mit der klaren Botschaft von Buße und Bekehrung zu rufen. Das Abendmahl wird heute drinnen gefeiert, während Jesus immer noch draußen vor der Tür steht. Anstatt reinen Wein einzuschenken, jubeln wir den Leuten billigen Fusel unter, der nicht nur krank macht, sondern schließlich tödlich endet. Der Aufruf zur Bekehrung erweckt im Denken der liberalen Theologie den Vorwurf, man setze die Menschen unter Druck. In Wirklichkeit ist die Allversöhnungslehre geistlicher Missbrauch. Wer heute auf die Predigt von Gericht und Verdammnis verzichtet, der hat sich nicht nur von der HKT einschüchtern lassen, sondern stellt sich offen gegen das Evangelium von der teuren Gnade. Von einem Erweckungsprediger stammt der Satz: Man sollte den Leuten nicht mit so viel falscher Liebe begegnen, als sie viel mehr durch ein scharfes Wort vor der Verdammnis retten. Echte Liebe zeigt sich gerade darin, dass ich den Weg zum ewigen Leben aufzeige. Das ewige Leben ist mehr als ein bisschen Zufriedenheit oder Selbstwertgefühl. Das ewige Leben ist ein Leben in ewiger und unmittelbarer Gemeinschaft mit Gott.